Entscheidungsstichwort (Thema)

Ein Techniker kann einen ingenieurähnlichen Beruf ausüben

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die selbständige Tätigkeit eines Ingenieurs übt nur aus, wer nach den Ingenieurgesetzen der Länder berechtigt ist, die Berufsbezeichnung „Ingenieur” zu führen.
  2. Ein Techniker, dessen Berufstätigkeit mit der eines beratenden Maschinenbauingenieurs der Fachrichtung Qualitätssicherung vergleichbar ist, übt eine ingenieurähnliche Tätigkeit aus.
  3. Auch wenn die theoretischen Kenntnisse eines Technikers Defizite gegenüber einem Ingenieur aufweisen, sind diese Defizite in der heutigen beruflichen Praxis nicht mehr entscheidend. Denn ein Techniker mit langjähriger Berufserfahrung ist i.d.R. einem jungen Ingenieur trotz dessen akademischer Ausbildung überlegen.
  4. Aufgrund des Wandels, der sich im heutigen Berufsleben vollzogen hat, kann bei der Prüfung der ingenieurähnlichen Tätigkeit eines Technikers auf das Erfordernis des ingenieurähnlichen Grundlagenwissens verzichtet werden.
 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1 S. 2; EStG § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

1998, 1999

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.06.2007; Aktenzeichen XI R 11/06)

BFH (Urteil vom 14.06.2007; Aktenzeichen XI R 11/06)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Kläger im Sinne von § 18 EStG selbstständig tätig ist oder ob er einen Gewerbebetrieb unterhält.

Der Kläger ist auf dem Gebiete der Qualitätssicherung als Einzelunternehmer tätig und firmiert unter der Bezeichnung „Qualitätsmanagement L.....”. Er ist gelernter Kraftfahrzeugmechaniker, hat diesen Beruf jedoch nur vorübergehend ausgeübt. In den Jahren 1975 bis 1979 hat er zwei Fachschulen für Technik besucht und am 30. Mai 1979 an der Fachschule für Technik der Stadt .... die Prüfung zum staatlich geprüften Techniker im Fach Maschinentechnik-Entwicklungstechnik abgelegt. In der Folgezeit war der Kläger zunächst nichtselbstständig in einem Ingenieurbüro tätig, später dann in größeren deutschen Unternehmen mit internationaler Bedeutung. Zuletzt war er für die Firma .... als Gruppenführer und technischer Sachbearbeiter im In- und Ausland tätig, darunter auch an verschiedenen Kernkraftwerken. In dieser Zeit hat er an diversen Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen, z. B. auch auf dem Gebiete der Qualitätssicherung. Seit Juli 1998 ist der Kläger als selbständiger Unternehmer tätig, hauptsächlich auf dem Gebiet der Qualitätssicherung in der Kerntechnikbranche. Er betätigt sich dort in der Typisierung der Ersatzteile, ihrer Bestellung und Dokumentation, nimmt Qualitätsprüfungen daran vor und erstellt dafür Prüfanweisungen für Sicht- und Ultraschallprüfungen. Er führt die nach dem Genehmigungsverfahren erforderlichen Sachprüfungen durch und prüft Ersatzteile daraufhin, ob sie das Regelwerk einhalten. Nach einer ihm im Juni 2001 verliehenen Urkunde ist der Kläger seit dem berechtigt, den Titel eines EurEtA-Ingenieurs zu führen.

Das Finanzamt hat gegen den Kläger unter dem ..... und ...... Gewerbesteuermessbetragsbescheide für die Streitjahre 1998 und 1999 erlassen. Die Bescheide sind im Hinblick auf alle anhängigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gewerbesteuergesetzes vorläufig nach § 165 AO ergangen. Gegen die Bescheide hat der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, mit der er sich gegen seine Veranlagung zur Gewerbesteuer wendet. Er ist der Auffassung, dass er im Sinne von § 18 EStG freiberuflich und nicht gewerblich tätig geworden sei. Er übe eine ingenieurähnliche freiberufliche Tätigkeit aus. Nach 22 Berufsjahren als staatlich geprüfter Techniker im Anlagen-, Stahl-, Apparate-, Rohrleitungs- und Maschinenbau habe er so viele Berufserfahrung gesammelt und die theoretische Grundlage dafür geschaffen, dass seine Tätigkeit als die eines Ingenieurs ähnlich anzusehen sei. Die Auffassung des Finanzamts, die in den angefochtenen Bescheiden zum Ausdruck komme, sei verfassungswidrig. Die Norm des § 18 EStG sei weit und flexibel auszulegen. Das Gesetz stamme aus dem Jahre 1934. Die darin enthaltene Aufzählung der Katalogberufe sei lange nicht mehr ergänzt worden. Neue Berufsbilder, die in den letzten Jahren entstanden seien, hätten darin keine Aufnahme gefunden. Das zeige sich an Beispielen aus dem Bereich der Datenverarbeitung, dem Medien- und Servicebereich sowie dem des Informatikers und Technikers. Für seine Tätigkeit gelte das gleiche. Seine berufliche Arbeit könne mit der eines Maschinenbauingenieurs mit der Fachrichtung Qualitätssicherung verglichen werden. Diese Fachrichtung sei neu und werde erst seit kurzem von den Hochschulen als Studienfach angeboten. Als er seine Ausbildung begonnen habe, habe das Fachgebiet als Lehrfach noch nicht existiert. Es finde sich deshalb auch nicht in der Aufzählung der Berufsgruppen in § 18 EStG. Der unvollständige und nicht mehr zeitgemäße Berufskatalog der Norm führe dazu, dass bestimmte heutige Berufsgruppen als gewerblich eingestuft würden, obwohl sie im Hinblick auf die Ausbildung der Betrof...

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