vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [VI R 8/15)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Dienstreisegrundsätze bei Tätigkeit von Polizeibeamten

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zum Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F.
  2. Regelmäßige Arbeitsstätte i. S. der vorgenannten Vorschrift ist im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebsstätte des ArbG, der der ArbN zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit immer wieder aufsucht.
  3. Der Betriebssitz des ArbG, den der ArbN lediglich regelmäßig nur zu Kontrollzwecken aufsucht, ist nicht die regelmäßige Arbeitsstätte.
  4. Ein Polizeibeamter, der schwerpunktmäßig nicht an einer bestimmten Dienststelle sondern auf dem Einsatzwagen bzw. im Revier tätig ist, hat keinen ortsgebundenen Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit.
  5. Bei Fehlen der Ortsgebundenheit der Außendiensttätigkeit kommt auch keine andere regelmäßige Arbeitsstätte in Betracht.
 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4

 

Streitjahr(e)

2011, 2012

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 09.11.2015; Aktenzeichen VI R 8/15)

BFH (Beschluss vom 09.11.2015; Aktenzeichen VI R 8/15)

 

Tatbestand

Streitig ist der Werbungskostenabzug von Fahrtkosten und von Verpflegungsmehraufwendungen.

Der Kläger ist Polizeibeamter. Er erzielte aus dieser Tätigkeit in den Streitjahren 2011 und 2012 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mit seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre beantragte er, die Kosten für die Fahrten zum Polizeikommissariat X nicht mit der sog. Pendlerpauschale, sondern nach Dienstreisegrundsätzen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit anzusetzen. Er machte insoweit Fahrtkosten in Höhe von 1.928 EUR (2011) und 1.816 EUR (2012) geltend. Darüber hinaus erklärte er damit im Zusammenhang stehende Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 1.344 EUR (2011) und 1.338 EUR (2012) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit. Im Einzelnen setzen sich diese Aufwendungen wie folgt zusammen:

Fahrtkosten 2011

149 Tage x 12 km x 0,60 EUR/km =

1.072,60 EUR

75 Tage x 19 km x 0,60 EUR/km=

855,00 EUR

Summe

1.927,60 EUR

Fahrtkosten 2012

173 Tage x 12 km x 0,60 EUR/km =

1.245,60 EUR

50 Tage x 19 km x 0,60 EUR/km=

570,00 EUR

Summe

1.815,60 EUR

Verpflegungsmehraufwendungen 2011

224 Tage x 6 EUR/Tag=

1.344 EUR

Verpflegungsmehraufwendungen 2012

223 Tage x 6 EUR/Tag=

1.338 EUR

Der Beklagte lehnte dies mit den Einkommensteuerbescheiden 2011 und 2012 vom 11. Dezember 2013 ab. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein, der mit Einspruchsbescheid vom 25. Juli 2014 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dagegen erhob er Klage.

Der Kläger trägt vor, dass seine Polizeidiensttätigkeit sehr überwiegend eine Außendiensttätigkeit sei. Der BFH habe seine bisherige Rechtsprechung zur Auslegung der Begriffe der regelmäßigen Arbeitsstätte und Auswärtstätigkeit grundlegend geändert. Da es sich bei der Tätigkeit des Klägers im Außendienst um eine Tätigkeit handelt, die in keiner ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers stattfinde, fehle es an einer regelmäßigen Arbeitsstätte. Die Folge sei daher, dass in diesen Fällen die Tätigkeiten als Auswärtstätigkeiten zu beurteilen seien. Die Tätigkeit an der Dienststelle X beschränke sich im Wesentlichen auf Vor- und Nacharbeitung des Außeneinsatzes. Im Außendienst befinde sich daher der qualitative Schwerpunkt, so dass die Dienststelle in X von vornherein als regelmäßige Arbeitsstätte ausscheide. Auf die Zuordnung zur Dienststelle X komme es nicht an.

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 vom 11. Dezember 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2014 der Gestalt zu ändern, dass Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Rahmen einer Auswärtstätigkeit in Höhe von 1.928 EUR für 2011 und 1.816 EUR für 2012 und damit im Zusammenhang stehende Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 1.344 EUR für 2011 und 1.338 EUR für 2012 als Werbungskosten berücksichtigt werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass sich zwar der zeitliche Tätigkeitsschwerpunkt außerhalb der Dienststelle befinde; jedoch sei dies nicht entscheidend. Dies ergebe sich auch aus einer Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts zu einem vergleichbaren Fall (s. Urt. v. 22. Mai 2014 – 10 K 109/13). Dienstbeginn und Dienstende seien immer im Polizeikommissariat Georgsmarienhütte.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist begründet. Die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 vom 11. Dezember 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2014 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Dienststelle in X stellt für den Kläger keine regelmäßige Arbeitsstätte dar. Der Kläger kann deshalb seine Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen geltend machen und Verpflegungsmehraufwend...

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