vorläufig nicht rechtskräftig

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [III R 53/10)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen des Anspruchs auf Kindergeld für volljährige behinderte Kinder

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Kindergeld für volljährige behinderte Kinder.
  2. Der Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich typischerweise aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen.
  3. Erfolgt insoweit seitens des Stpfl. kein Einzelnachweis, kann der maßgebliche Behindertenpauschbetrag als Anhalt für den betreffenden Mehrbedarf dienen. Das gilt auch für Kinder, die in einer Werkstatt für Behinderte beschäftigt sind und in einer eigenen Wohnung leben.
 

Normenkette

EStG §§ 62-63, 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, § § 33b Abs. 3

 

Streitjahr(e)

2008

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.02.2012; Aktenzeichen III R 53/10)

 

Tatbestand

In dem Verfahren ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Kindergeld für ihren Sohn ab Januar 2008 hat.

Die Klägerin ist die leibliche Mutter ihres am xx.xx 1973 geborenen Sohnes A.. Dieser leidet seit seinem 7. Lebensjahr an einer schweren Epilepsie. Laut letztem Bescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie beträgt der Grad der Behinderung des Sohnes A. 100 % und es werden die Merkzeichen „G”, „B”, „RF” und „H” festgestellt.

Der Sohn A. lebt in einer eigenen Wohnung in B.. Er geht einer Beschäftigung im Arbeitsbereich der B. Werkstätten gGmbH nach und erhält deshalb Eingliederungshilfen gemäß §§ 53, 54 des Sozialgesetzbuches (SGB) 12. Buch (XII). Als Arbeitsentgelt in der teilstationären Einrichtung erhält der Sohn A. seit Januar 2008 monatlich 152,28 €. Daneben erhält der Sohn eine monatliche Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 557,35 €.

Die Klägerin beantragte am 31. Dezember 2007 Kindergeld für ihren Sohn A.. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. März 2008 mit der Begründung ab, die Behinderung des Sohnes A. sei nicht vor Erreichen des 25. Lebensjahres eingetreten.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin form- und fristgerecht Einspruch ein. Dieser Einspruch hatte zum Teil Erfolg. Mit Bescheid vom 20. Oktober 2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin Kindergeld für ihren Sohn A. für den Zeitraum von August 2005 bis Dezember 2007. Durch Einspruchsbescheid vom 17. Oktober 2008 wies die Beklagte den Einspruch für den Zeitraum ab Januar 2008 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Sohn A. sei wirtschaftlich in der Lage, seinen notwendigen Bedarf selbst abzudecken. Die ihm zuzurechnenden Mittel reichten aus, den lebensnotwendigen Bedarf in Höhe von 640,00 € monatlich abzudecken. Die Bezüge seien wie folgt zu ermitteln:

Art der Einkünfte/Bezüge

mtl.

Erwerbsunfähigkeitsrente

557,35 €

Werkstatt-Einkünfte

152,28 €

Sachbezug Mittagessen

80,00 €

Summe:

789,63 €

abzüglich Arbeitnehmer-Pauschbetrag

76,67 €

abzüglich Bezüge-Pauschale

15,00 €

verbleiben

697,96 €

Dabei vertrat die Beklagte die Ansicht, dass bei Kindern – wie im Streitfall bei dem Sohn A. –, die in einer Werkstatt für Behinderte beschäftigt seien und in einer eigenen Wohnung lebten, der Behindertenpauschbetrag i.S. des § 33 b Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht herangezogen werden könne, um den notwendigen behinderungsbedingten Mehrbedarf ohne Einzelnachweise abzudecken.

Hiergegen richtet sich die am 18. November 2008 erhobene Klage. Die Klägerin trägt vor, der für den Kindergeldanspruch maßgebende Gesamtbedarf bestehe aus dem Grundbedarf und dem zusätzlichen behinderungsbedingten Mehrbedarf. Hier entstünden ihr und ihrem Ehemann zusätzliche Belastungen

- durch die Beratung und Hilfestellung in allen finanziellen Angelegenheiten,

- durch Beantworten von Schriftstücken, Stellen von Anträgen und Begleitung bei Behördengängen,

- durch Veranlassung zur Begleitung bei Bekleidungseinkäufen,

- durch Motivation und Aufforderung zur Körperpflege sowie Begleitung zu Facharzt- und Zahnarztbesuchen,

- durch Gespräche und Beratung bei Problemen und Konflikten, die sich im Rahmen der Arbeit in der Behindertenwerkstatt ergäben,

- durch Motivation zur geschäftlichen Teilhabe sowie

- durch Versorgung im Elternhaus bei Erkrankung oder Umstellung der Medikation.

Die Klägerin äußert die Rechtsauffassung, bei der Ermittlung des behindertenbedingten Mehrbedarfs sei trotz der teilstationären Maßnahme auf § 33 b Abs. 3 EStG zurückzugreifen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 15. März 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr ab Januar 2008 Kindergeld für ihren Sohn A. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer im Einspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung fest, dass neben dem auf der Grundlage der gezahlten Eingliederungshilfe ermittelten Mehrbedarf der zusätzliche Ansatz des Pauschbetrags nach dem Einkommensteuergesetz nicht in Betracht komme.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer...

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