rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Pauschaler Nutzungswert bei untypisch geringer Nutzung des Dienstwagens für Fahrten zur Arbeitsstätte

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zum Begriff des Arbeitslohns nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG.
  2. Auch die unentgeltliche Überlassung eines Dienstwagens durch den ArbG an den ArbN für dessen Privatnutzung führt zum Lohnzufluss.
  3. Zur Bewertung des geldwerten Vorteils mit pauschal 0,03 % des Listenpreises.
  4. Seinem Zweck als Korrekturposten zum pauschalen WK-Abzug wird § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG nur gerecht, wenn die dem WK-Abzug zu Grunde legende Typisierung auch bei Ermittlung des Zuschlags folgerichtig umgesetzt wird.
  5. In den Fällen, in denen die typisierende Annahme aufgrund der tatsächlich geringeren Nutzung des überlassenen PKW für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu Lasten des ArbN geht, ist eine Einzelbewertung der Fahrten mit 0,002 % des Listenpreises je Entfernungskilometer vorzunehmen.
 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2, § 8 Abs. 2 S. 3

 

Streitjahr(e)

2006, 2007, 2008

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 31.01.2011; Aktenzeichen VI B 130/10)

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids, mit dem der Beklagte die Klägerin als Arbeitgeberin nach § 42d EStG in Anspruch genommen hat.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung einen Großhandel. Sie beschäftigte in den Streitjahren 2006 bis 2008 27 Arbeitnehmer. Ihren Außendienstmitarbeitern W und R stellte die Klägerin PKW zur Verfügung und erlaubte den Arbeitnehmern, diese PKW auch für private Zwecke zu nutzen.

W und R nutzten die PKW in den Streitjahren für private Zwecke sowie für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

So fuhr W ab Juni im Streitjahr 2006 an 35 Tagen, im Streitjahr 2007 an 55 Tagen und bis April des Streitjahrs 2008 an 17 Tagen von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte bei der Klägerin in A. Der Listenpreis des von ihm genutzten PKW betrug 29.800 €, die einfache Entfernung zwischen seiner Wohnung und Arbeitsstätte 50 km.

R fuhr im Streitjahr 2007 an 126 Tagen und bis April des Streitjahrs 2008 an 57 Arbeitstagen von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte bei der Klägerin in A. Der Listenpreis des von ihm genutzten PKW betrug 33.300 €, die einfache Entfernung zwischen seiner Wohnung und Arbeitsstätte 35 km.

Die Klägerin zog aus der PKW-Gestellung insoweit lohnsteuerliche Konsequenzen, als sie für die mögliche Privatnutzung der PKW jeweils 1 % des Listenpreises pro Monat als Arbeitslohn versteuerte, also für W 29.800 € x 1 %= 298 € und für R 33.300 € x 1 % = 333 €.

Für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte versteuerte die Klägerin für W 41,32 € monatlich und für R 69,93 € monatlich.

Im Einzelnen versteuerte die Klägerin mithin geldwerte Vorteile für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wie folgt:

Jahr

2006

2007

2008

(Juni-Dezember)

(Januar bis April)

Arbeitnehmer R

699,30 €

279,72 €

(März-Dezember)

Arbeitnehmer W

289,24 €

495,84 €

165,28 €

Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung erging der Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge vom 2. Juli 2008. Damit nahm der Beklagte die Klägerin nach § 42d EStG als Arbeitgeberin in Anspruch. Dem Prüfer folgend war der Beklagte der Auffassung, die Klägerin habe die geldwerten Vorteile aus der PKW-Überlassung an R und W unzutreffend lohnversteuert. So habe sie zwar zutreffend für die Möglichkeit der Privatnutzung der PKW jeweils 1 % des Listenpreises pro Monat lohnversteuert. Die geldwerten Vorteile wegen Nutzung der PKW für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte habe die Klägerin aber mit zu geringen Werten versteuert. So seien hierfür bei W 29.800 € x 0,03 % x 50 km = 447,00 € monatlich und für R 33.300 € x 0,03 % x 35 km = 349,65 € monatlich anzusetzen.

Zur Begründung der Inanspruchnahme der Klägerin anstelle der Arbeitnehmer gab der Beklagte an, die Klägerin habe sich mit ihrer Inanspruchnahme einverstanden erklärt.

Die Klägerin legte Einspruch ein und meinte, die vom Beklagten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angesetzten Beträge seien zu hoch. Nach dem BFH-Urteil vom 4. April 2008 VI R 85/04 (BStBl II 2008, 887) sei der geldwerte Vorteil aus einer PKW-Gestellung nicht, wie der Beklagte meinte, stets mit 0,03 % des Listenpreises/Monat pro Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzusetzen. Bei Außendienstmitarbeitern, wie im Streitfall R und W, die an weniger als 15 Tagen pro Monat ihre regelmäßige Arbeitsstätte aufsuchten, sei vielmehr der geldwerte Vorteil nach der tatsächlichen Nutzung der Fahrzeuge für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit 0,002 % des Listenpreises pro Entfernungskilometer anzusetzen. Die geldwerten Vorteile seien danach wie folgt zu ermitteln:

Jahr

2006

2007

2008

(Juni - Dezember)

(Januar - April)

Arbeitnehmer R

2.412,59 €

1.034,96 €

(vom Bekl angesetzt)

3.496,50 €

1.398,60 €

(März bis Dezember)

Arbeitnehmer W

813,54 €

1.394,64 €

500,64 €

(vom Bekl angesetzt

3.129,00 €

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