vorläufig nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Gebührenerhebung für verbindliche Auskünfte gemäß § 89 Abs. 3 bis 5 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Erhebung von Gebühren für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 3 bis 5 AO ist verfassungsrechtlich nicht beanstanden.
  2. Die Erhebung derartiger Gebühren ist durch die mit der Auskunft verursachten Kosten und den mit ihr verbundenen, individuell zurechenbaren Vorteilen sachlich legitimiert.
  3. Mit der Anlehnung an das GKG hat der Gesetzgeber einen vertretbaren Gebührenmaßstab gewählt und umgesetzt.
 

Normenkette

AO § 89

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 30.03.2011; Aktenzeichen I B 136/10)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Finanzgerichtsordnung (FGO) um die Verfassungsmäßigkeit der Gebührenerhebung für verbindliche Auskünfte gemäß § 89 Abs. 3 bis 5 der Abgabenordnung (AO).

Der Antragsteller ist wirtschaftlicher Inhaber einer Firmengruppe, die aus einer Realteilung hervorgegangen war und aufgrund dieses Umstands über eine teilweise zerklüftete Beteiligungsstruktur verfügte. Um insbesondere den Anforderungen finanzierender Banken nach einer einfachen und durchschaubaren Beteiligungsstruktur zu entsprechen und diese auch an das aktuelle Finanzierungskonzept anzupassen, war eine Neustrukturierung geplant, in deren Zuge am 27. April 2009 der Antragsteller sowie Gesellschaften der Gruppe einen Antrag auf verbindliche Auskunft gemäß § 89 Abs. 2 AO beim Antragsgegner, dem Finanzamt (FA), stellten. Gegenstand des Antrages auf verbindliche Auskunft, soweit dies den Antragsteller als Kommanditist der X Holding GmbH & Co KG betraf, waren:

Fragekomplex 1

- ob die Verschmelzung der X Holding GmbH & Co KG auf die Y Beteiligung GmbH steuerneutral abgewickelt werden kann,

- ob der Antragsteller aus der Verschmelzung einen ertragsteuerlichen Übergangsgewinn erzielt,

- ob die bestehende ertragsteuerliche Organschaft zwischen der X Holding GmbH & Co KG und der Y Beteiligung GmbH steuerunschädlich beendet wird,

- ob die o.g. Verschmelzung gewerbesteuerneutral abgewickelt werden kann und lediglich die gewerbesteuerlichen Verlustvorträge entfallen,

- ob der steuerliche Übertragungsstichtag auf den 31. Dezember 2008 zurück bezogen werden kann, und

- ob die o.g. Verschmelzung Grunderwerbsteuer auslöst,

Fragekomplex 2

- ob die Veräußerung der Beteiligung an Z GmbH Germany bei der Y Beteiligung GmbH unter § 8b KStG fällt,

- ob ein bei dem Antragsteller durch die oben bezeichnete Veräußerung anfallender Einbringungsgewinn bis zur Höhe von 500.000 Euro durch Bildung einer steuerfreien Rücklage nach § 6 b Abs. 10 EStG „neutralisiert” werden kann und ob diese Rücklage im Zuge der Anschaffung der Anteile an Z GmbH Germany durch eine neu zu gründende Gesellschaft steuerunschädlich wieder aufgelöst werden kann.

Unter dem 20. Januar 2010 erteilte das FA dem Kläger die erbetene verbindliche Auskunft, wobei es der Sache nach die Steuerunschädlichkeit der Neustrukturierung feststellte. Hierfür setzte es unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts für den Fragekomplex 1 von 30.000.000 Euro eine Gebühr von 91.456 Euro und für den Fragekomplex 2 eine Zeitgebühr von 500 Euro fest.

Gegen die Erhebung der Gebühr erhob der Antragsteller am 19. Februar 2010 Einspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Gebührenbescheids. Hierzu führte er aus, die Einführung der Gebührenpflicht für die Erteilung von verbindlichen Auskünften sei durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt und widerspreche deshalb der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Pflicht zur kostenfreien Betreuung eines Steuerpflichtigen. Zudem sei ein faires Verwaltungsverfahren durch die Einführung der Gebührenpflicht nicht mehr gewährleistet. Insbesondere vor dem Hintergrund immer komplexerer und schwieriger zu interpretierender Steuergesetze sei die Einführung einer Gebühr für die Bearbeitung verbindlicher Auskünfte unter verfassungsrechtlichen Gesichtpunkten unzulässig. Der Staat als derjenige, der die Unübersichtlichkeit im Steuerrecht verursacht habe, könne sich für die gebotene Klarstellung nicht separat bezahlen lassen.

Mit Bescheid vom 25. Februar 2010 lehnte das FA den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gebührenbescheids ab. Über den Einspruch des Antragstellers gegen den Gebührenbescheid hat das FA noch nicht entschieden.

Mit seinem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gebührenbescheids bei Gericht macht der Antragsteller geltend, die Einführung der Gebührenpflicht für die Erteilung von verbindlichen Auskünften widerspreche der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Pflicht zur kostenfreien Betreuung eines Steuerpflichtigen. § 89 Abs. 3 bis 5 AO verstießen weiterhin gegen den Funktionsvorbehalt der Steuer. Die Vorschrift verletzte insoweit das sogenannte Kostendeckungsprinzip. Die im vorliegenden Fall festgesetzten Gebühren dürften angesichts der Bearbeitungsdauer des Antrags auf verbindliche Auskunft von in etwa 3...

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