Leitsatz

1. Eine private Versorgungsrente ist nicht als Sonderausgabe (dauernde Last bzw. Leibrente gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG) abziehbar, wenn Abweichungen vom Vereinbarten bei der tatsächlichen Durchführung des Übergabevertrags auf ein Fehlen des erforderlichen Rechtsbindungswillens schließen lassen.

2. Machen die Parteien eines Versorgungsvertrags von einer vereinbarten Wertsicherungsklausel keinen Gebrauch, lässt dies für sich allein noch keinen zwingenden Schluss auf das Fehlen des Rechtsbindungswillens zu; die Abweichung vom Vereinbarten kann aber im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung von Bedeutung sein.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG , § 12 EStG

 

Sachverhalt

Die Mutter des Klägers übertrug diesem 1974 einen Gewerbebetrieb gegen Zahlung einer jährlichen Rente i.H.v. 3.600 DM. Die Vertragsbeteiligten behielten sich die Rechte aus § 323 ZPO vor und vereinbarten außerdem eine Wertsicherungsklausel des Inhalts, dass die Rente im gleichen Umfang steigen sollte wie die Renten aus der gesetzlichen Sozialversicherung.

Erstmals für das Streitjahr 1997 lehnte das Finanzamt den vom Kläger begehrten Abzug der Rente als Sonderausgabe i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG unter Hinweis darauf ab, dass die Vertragsbeteiligten die Wertsicherungsklausel, deren Anwendung zwischenzeitlich zu einem Jahreszahlbetrag von 9.114 DM geführt hätte, bislang nicht beachtet hätten.

Die dagegen erhobene Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg.

 

Entscheidung

In Übereinstimmung mit dem FG (vgl. EFG 2001, 489) hielt der BFH das Nichtgebrauchmachen der Vertragsbeteiligten von der Wertsicherungsklausel im konkreten Fall für unschädlich, weil dieser Umstand für sich allein den Schluss auf einen fehlenden Rechtsbindungswillen der Parteien des Vermögensübergabevertrags nicht zulasse.

Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass einer Wertsicherungsklausel in Verträgen über die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen zwischen nahen Angehörigen nicht die gleiche Bedeutung zukomme wie den Wertsicherungsklauseln in – kaufmännisch ausgewogenen – Verträgen zwischen fremden Dritten: Während in Versorgungsverträgen die Leistungen entsprechend § 323 ZPO typischerweise ohnehin abänderbar seien und die Wertsicherungsklausel sich nur als eine Möglichkeit unter mehreren vorhandenen Instrumenten zur Anpassung der Höhe der Leistungen darstelle, sei sie in zwischen Fremden abgeschlossenen Verträgen das einzige Mittel, die Höhe der vereinbarten Leistungen zu ändern.

 

Hinweis

Verträge zwischen nahen Angehörigen sind ertragsteuerrechtlich nur anzuerkennen, wenn die Vereinbarungen zivilrechtlich wirksam, klar und eindeutig sind, ihre Gestaltung dem zwischen Fremden üblichen entspricht und sie auch tatsächlich durchgeführt werden (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH, Urteil vom 7.5.1996, IX R 69/94, BStBl II 1997, 196). Freilich schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung zwingend aus.

Bei Verträgen über die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen dient der Fremdvergleich vorrangig der Abgrenzung solcher Vereinbarungen, denen die Parteien – durch äußere Merkmale erkennbar – rechtliche Bindungswirkung beimessen, von solchen "Verträgen", die zwar der äußeren Form nach als bindend erscheinen, für die Parteien selbst jedoch den Charakter der Beliebigkeit haben und von denen sie nur Gebrauch machen, wenn es ihnen opportun erscheint. Letzteres ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Vollzug der Vereinbarung durch willkürliche Aussetzung und anschließende Wiederaufnahme der Zahlungen (vgl. BMF, Schreiben vom 26.8.2002, BStBl I 2002, 893 Tz. 27), aber auch durch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags, die nicht durch Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse gerechtfertigt sind, gekennzeichnet ist.

Im Besprechungsurteil hat der BFH – in Übereinstimmung mit seiner früheren Rechtsprechung – die – m.E. zutreffende – Auffassung vertreten, dass ein Nichtgebrauchmachen der Parteien eines Versorgungsvertrags von einer vereinbarten Wertsicherungsklausel und die dauerhafte Zahlung der Versorgungsleistungen mit ihrem ursprünglich vereinbarten Nennbetrag für sich allein – d.h. ohne hinzutretende weitere Indizien – einen Schluss auf den fehlenden Rechtsbindungswillen der Vertragsparteien noch nicht zulässt. Denn mit dem Nichtgebrauchmachen von der Wertsicherungsklausel können die Vertragsparteien auch zum Ausdruck bringen, dass nach ihrer Einschätzung die aktuelle Versorgungssituation eine Anpassung des Zahlbetrags nicht erfordert.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 3.3.2004, X R 14/01

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