Kommentar

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden dürfen, wenn die berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50% ; der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht ( § 9 Abs. 5 EStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr.6b Sätze 1 und 2 EStG i. d. F. des JStG 1996).

Durch diese Vorschriften werden weder der Grundsatz, daß die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten ist, noch das objektive Nettoprinzip verletzt.

Dieser gesetzlichen Neuregelung liegt die Überlegung zugrunde, daß Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann steuerlich abziehbar sein sollen, wenn ein solches für die Erwerbstätigkeit erforderlich ist. Das Gesetz verwendet zwar nicht ausdrücklich den Begriff der Erforderlichkeit oder Notwendigkeit. Die für den Abzug erforderlichen Voraussetzungen, daß entweder ein anderer Arbeitsplatz nicht zur Verfügung stehen darf oder daß ein bestimmtes Nutzungsmaß (50%) im Verhältnis zur gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit erreicht sein muß, sind aber ihrem Wesen nach eine abschließende gesetzliche Beschreibung von Fallgestaltungen, bei denen nach der Wertung des Gesetzgebers ein häusliches Arbeitszimmer erforderlich ist.

Es ist zwar nicht zu verkennen, daß die Erforderlichkeit eines Aufwandes kein Wesensmerkmal des Betriebsausgaben- oder Werbungskostenbegriffs ist. Es kann sich aber bei dem Erfordernis der Notwendigkeit eines Aufwandes insbesondere dann um ein sachlich geeignetes Merkmal für die Anerkennung als Betriebsausgaben oder Werbungskosten handeln, wenn Aufwendungen eine Berührung mit der Lebensführung aufweisen. Entsprechendes gilt, wenn sie in einer Sphäre anfallen, die sich einer sicheren Nachprüfung durch Finanzverwaltung oder Finanzgerichte entzieht . Der in der Privatwohnung liegende Raum kann tatsächlich ohne jegliche Kontrollmöglichkeit durch die Finanzbehörde auch für andere als berufliche Zwecke genutzt werden. Dies rechtfertigt es, die steuerliche Anerkennung der Aufwendungen an Voraussetzungen zu knüpfen, die die Möglichkeit des Mißbrauchs oder der Verlagerung von Kosten für die Lebensführung in den betrieblichen oder beruflichen Bereich erheblich einschränken.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 27.09.1996, VI R 47/96

Anmerkung:

Die gesetzgeberische Entscheidung, daß bei Vorhandensein eines anderen Arbeitsplatzes mindestens 50% der gesamten Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer stattfinden muß, um die Erwerbstätigkeit als die wesentliche Ursache des Aufwandes ansehen zu können, ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht willkürlich und hält sich auch innerhalb der Grenzen der dem Gesetzgeber zustehenden Beurteilungs- und Gestaltungsfreiheit.

Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß die Maßgeblichkeit eines bestimmten Vomhundertsatzes bei außergewöhnlichen Sachverhalten zu wenig befriedigenden Ergebnissen führen kann. Unbefriedigende Ergebnisse in Randbereichen sind jedoch eine notwendige Folge jeglicher Typisierung. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts akzeptiert, daß sich der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedient (BVerfG, Beschlüsse v. 23.1. 1990, 1 BvL 4, 5, 6, 7/87, BStBl 1990 II S. 483, 486 m.w.H.). Entscheidend ist, daß für die ganz überwiegende Zahl aller Fälle die vom Gesetzgeber gewählte Regelung zu sachgerechten Resultaten führt. Dies schließt nicht aus, daß sich in besonders gelagerten Ausnahmefällen die Frage einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschriften stellen kann.

Schließlich weist der BFH mit Bezug auf die hier vorliegende Problematik zu Recht darauf hin, daß eine größere Einzelfallgerechtigkeit allenfalls durch noch kompliziertere Regelungen zu erreichen gewesen wäre. Dies hätte jedoch erfahrungsgemäß zu zahlreichen weiteren Abgrenzungsproblemen und damit zu einer weiteren Komplexität geführt.

Jedenfalls ist es zu begrüßen, daß der BFH zu einer der umstrittenen Fragen des Jahressteuergesetzes 1996 zu rasch Stellung genommen hat. Es ist zu erwarten, daß auch das Bundesverfassungsgericht noch mit diesem Fragenkomplex befaßt werden wird. Im Hinblick auf die oben erwähnten Beschlüsse des BVerfG (BStBl 1990 II S. 483, 486) erscheinen allerdings die Aussichten, § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG aus verfassungsrechtlichen Gründen „zu kippen”, nicht besonders groß.

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