Leitsatz

Beantragt ein Bauträger die Änderung seines Umsatzsteuersteuerbescheids, weil entgegen der früheren Verwaltungsauffassung nach dem BFH-Urteil v. 22.8.2013 ein Bauträger keine Bauleistungen erbringt und er damit kein Steuerschuldner als Leistungsempfänger im Sinne des § 13b UStG ist, und ändert darauf das Finanzamt nachträglich die Umsatzsteuerfestsetzung zugunsten des Bauträgers, so beginnt der Zinslauf für die Festsetzung von Erstattungszinsen 15 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem die Umsatzsteuer entstanden ist, und nicht etwa nach § 233a Abs. 2a AO später.

 

Sachverhalt

Die klagende Bauträgerin erklärte im Streitjahr 2010 entsprechend der damaligen Verwaltungsauffassung als vermeintliche Steuerschuldnerin nach § 13b UStG die Umsatzsteuer für die an sie erbrachten Bauleistungen und führte sie an das Finanzamt ab.

2015 beantragte die Klägerin die Änderung der Umsatzsteuer 2010, da nach dem BFH-Urteil vom 22.8.2013, V R 37/10 ein Bauträger keine Bauleistungen erbringe und damit kein Steuerschuldner als Leistungsempfänger von Bauleistungen im Sinne des § 13b UStG sei. In den von einigen Bauhandwerkern berichtigten Rechnungen wurde deshalb die nunmehr vom Bauhandwerker geschuldete Umsatzsteuer offen ausgewiesen und der Bauträgerin in Rechnung gestellt. Die Umsatzsteuerforderungen der Bauhandwerker gegen die Bauträgerin wurden dem Finanzamt nach § 27 Abs. 19 UStG abgetreten. Bis zum 12.5.2017 hatten 19 Bauhandwerker ihre Rechnungen berichtigt und die Forderungen an den Beklagten abgetreten.

Am 5.7.2017 erfolgte der zu einer Erstattung führende Umsatzsteueränderungsbescheid für 2010. Der Zinsbescheid nach § 233a AO zur Umsatzsteuererstattung 2010 lautete auf 0,00 EUR, da lt. Finanzamt die Umsatzsteuerfestsetzung vom 5.7.2017 auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses beruhe. Auch habe die Bauträgerin insoweit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Deshalb beginne der Zinslauf nach § 233a Abs. 2a AO erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres des Eintritts des rückwirkenden Ereignisses "Antrag des Bauträger auf Erstattung der Umsatzsteuer 2010".

Die von der Klägerin mit Einspruch begehrte Festsetzung von Erstattungszinsen für April 2012 bis Juni 2017 lehnte das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung ab.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des Finanzgerichts sind Erstattungszinsen für den Zeitraum April 2012 bis Juni 2017 festzusetzen.

Der nach § 233a Abs. 2 AO maßgebliche Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Entstehungsjahres der Umsatzsteuer 2010

Der sich nach § 233a Abs. 2 AO richtende Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Entstehungsjahres der Umsatzsteuer 2010 und damit am 1.4.2012. Er endet mit Ablauf des Tages der Bekanntgabe des geänderten Umsatzsteuerbescheids vom 5.7.2017, also am 8.7.2017 entsprechend § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO. Da das Finanzgericht über den Antrag der Klägerin auf Zinsfestsetzung bis einschließlich Juni 2017 nicht hinausgehen darf, endet der Zinslauf zum 30.6.2017.

Entgegen dem BMF-Schreiben v. 26.7.2017, Rz. 16, ist der Antrag des Bauträgers als Leistungsempfänger auf Erstattung der zunächst von ihm entrichteten Umsatzsteuer ist kein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 233a Abs. 2a AO in Verbindung mit § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Es trat kein Besteuerungsmerkmal mit steuerlicher Rückwirkung ein. Die Festsetzung von § 13b UStG Steuer war von Anfang an rechtswidrig, so dass die Auslegung des § 13b UStG durch das BFH-Urteil v. 22.8.2013 kein rückwirkendes Ereignis darstellt. Eine von der Verwaltungsauffassung abweichende Ansicht führt nicht zu einem rückwirkenden Ereignis.

Der Grundsatz von Treu und Glauben kann infolge des in § 38 AO festgelegten Vorbehalts des Gesetzes keine Steueransprüche begründen oder erlöschen lassen. Aus dem in Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz genannten Rechtsstaatsprinzip lässt sich die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung ableiten. Die Steuerleistungspflicht hängt davon ab, dass beim Steuerpflichtigen ein Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Nichts anderes gilt für den Zinsanspruch. Unter Beachtung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes verdrängt der Grundsatz von Treu und Glauben eine gesetzlich angeordnete Rechtsfolge, Festsetzung von Zinsen, nicht.

Daher komme es bei der Festsetzung von Erstattungszinsen auf das Verhalten der klagenden Bauträgerin - entgegen der Auffassung des Finanzamtes - gar nicht an. Unabhängig davon setze der Grundsatz von Treu und Glauben ein treuwidriges Verhalten der klagenden Bauträgerin voraus. Dass diese unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erfolgreich einen Antrag auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung gestellt hat, begründe kein treuwidriges Verhalten. Im Übrigen habe die Bauträgerin die nach § 27 Abs. 19 UStG erforderlichen Angaben gemacht und war auch mit der Verrechnung einverstanden.

 

Hinweis

Im BMF-Schreiben v. 26.7.2017 (Rz. 16, BStBl 2017 I S. 1239) ist nur die Verzinsung der Nachzahlung des Bauhandwerkers nach § 233a Abs. 2a UStG geregelt (Zinslauf er...

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