Zusammenfassung

  • Der Europäische Green Deal gilt als Startschuss zur Verankerung von Nachhaltigkeit in der industrieübergreifenden Unternehmenspraxis. Mit dem EU-Aktionsplan werden darüber hinaus regulatorische Anforderungen an Banken, Versicherungen und Asset Manager gestellt, die nun durch die Unternehmen erfüllt werden müssen.
  • In Verbindung mit der Dynamik des Marktes setzt dies eine neue, umfassende "Nachhaltigkeitstransformation" des Finanzsektors in Bewegung. Versicherungen stehen vor der Herausforderung, Nachhaltigkeit ganzheitlich in ihre Organisation zu integrieren.
  • In dem Beitrag werden mögliche Lösungsansätze für eine nachhaltige Strategie und Steuerung/Controlling sowie Kapitalanlage und Schadenmanagement vorgestellt. Außerdem wird aufgezeigt, wie sich Versicherungsunternehmen frühzeitig gegen den weiteren regulatorischen Druck wappnen können.

1 Die Zeit für Nachhaltigkeit ist reif, auch für Versicherungen

Nachhaltigkeit ist gegenwärtig in aller Munde und hat seit der Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten Joe Biden auch global einen neuen Anstoß erlebt. Nunmehr befassen sich nicht mehr ausschließlich Industrieunternehmen mit der Frage, wie sie ihre Produktionsprozesse nachhaltiger gestalten können, sondern Nachhaltigkeit ist auch längst in der Finanzbranche angekommen. Der externe Druck von Stakeholdern hat derart zugenommen, dass Versicherungen das Thema nicht mehr stiefmütterlich behandeln können. Die zunehmende Regulatorik, Anforderungen von Investoren, Kunden und Mitarbeitern bewegen Versicherungen dazu, sich intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit zu befassen. Hierbei ist die "Doppelrolle" des Finanzsektors zu beachten. So steht bei Versicherungen und Banken neben der Nachhaltigkeit der eigenen Geschäftstätigkeit regelmäßig auch ihre Verantwortung als relevante Akteure im Finanzwesen und ihre damit verbundene Funktion als Katalysator im Vordergrund. So ist gerade die Finanzbranche aufgefordert, ihre Intermediärsfunktion zu nutzen und Kapitalströme stärker auf nachhaltige Anlagen auszurichten und so den Umbau der Wirtschaft voranzutreiben.

Das Pariser Klimaschutzabkommen und der EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums (Sustainable Finance) bauen auf diese Lenkungsfunktion und setzen konkrete Nachhaltigkeitsziele für die Finanzindustrie. Kapitalflüsse sollen künftig stärker auf nachhaltige Investments ausgerichtet, Umweltrisiken umfassender berücksichtigt und die Transparenz von Finanzprodukten gefördert werden.

Die Regulatorik gibt dabei Rahmen und Richtung vor. Wichtige Meilensteine sind die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFRD), das Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken sowie die EU-Taxonomie als Klassifizierungssystem für grüne Investments. Gerade letztere wird vielfältig diskutiert und soll durch einheitliche Definitionen und Klassifizierungen von "grün" und "nachhaltig" Vertrauen und Transparenz am Kapitalmarkt schaffen. Diese sich abzeichnende Gesetzesverordnung hat enorme Auswirkungen auf die Kapitalanlage von Versicherungen, da hierdurch ein neues Segment für nachhaltig orientierte Kapitalgeber geschaffen wird.

Darüber hinaus sind speziell Versicherungsunternehmen durch Kapitalanlagen und angebotene Versicherungsprodukte mit einer Vielzahl von Unternehmen und Branchen assoziiert und somit von diversen Risiken betroffen, die sich sowohl aus dem Klimawandel selbst als auch den damit verbundenen gesellschaftlichen Umwälzungen ergeben. Die Investition von Kapitalanlagen in Technologien, die keinen oder gar einen negativen Beitrag zur Nachhaltigkeitstransformation leisten, können so schnell zu "stranded assets" werden. Die Integration von Nachhaltigkeitskriterien (ESG-Kriterien) im Risikomanagement sowie in der Strategie und Gesamtorganisation ist daher unerlässlich.

Es wird schnell klar, dass Nachhaltigkeit und die regulatorischen Anforderungen sich auf die gesamte Organisation von Finanzinstituten – von Nachhaltigkeitsmanagement, Risikomanagement über Compliance bis hin zum Vertrieb – auswirken. Die Folge ist, dass immer mehr Versicherer und Banken sich ganzheitlich mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen müssen und gefordert sind, Nachhaltigkeit in ihr Geschäft zu integrieren. Dabei gilt es zahlreiche Fragen zu beantworten wie z. B.:

  • Welche Auswirkungen haben nachhaltige Anforderungen auf meine Strategie und mein Geschäftsmodell?
  • Welche Anpassungen am Produkt- und Dienstleistungsangebot sind erforderlich?
  • Welche neuen Geschäftsfelder lassen sich erschließen?
  • Wie wirkt sich Nachhaltigkeit auf die Wertschöpfungsprozesse aus?
  • Wie sind Nachhaltigkeitsaspekte in die Unternehmenssteuerung zu integrieren?
  • Welche Anforderungen und Erweiterungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung sind zu berücksichtigen und umzusetzen?

2 Einfluss von Nachhaltigkeit auf die Wertschöpfung von Versicherungen

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