Rz. 109

Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften sind in der Handelsbilanz zu passivieren, und zwar für den Teil der eigenen Verbindlichkeit aus dem schwebenden Geschäft, um den diese den Wert der Gegenleistung aus dem schwebenden Geschäft übersteigt.[1] Dies gilt nach dem Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung, der für alle Kaufleute gilt und früher auch steuerrechtlich verbindlich war.[2] Nach § 5 Abs. 4a EStG sind derartige Rückstellungen in der Steuerbilanz nicht mehr zulässig.[3] Die nicht mehr mögliche Bildung von Drohverlustrückstellungen in der Steuerbilanz stellt eine weitere Abkehr vom Maßgeblichkeitsprinzip bei der steuerlichen Gewinnermittlung im Interesse der Sanierung von Staatshaushalten dar. Die nachstehend beschriebenen Grundsätze zum Ansatz und zur Bewertung von Rückstellungen für drohende Verluste sind daher nur handelsrechtlich nach § 249 Abs. 1 HGB zu beachten.

 

Rz. 110

Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften sind auch bei Dauerschuldverhältnissen, z. B. Miet- und Pachtverhältnissen, zu bilden. Voraussetzung ist, dass aus dem einzelnen Miet- oder Pachtverhältnis insgesamt ein Verlust droht. Ein Verlust droht, wenn der Wert der vom Bilanzierenden zu erbringenden Leistung den Wert der zu empfangenen Gegenleistung übersteigt (Verpflichtungsüberschuss).[4] Vorteile, die außerhalb des zu beurteilenden schwebenden Geschäfts liegen, dürfen nach dem Grundsatz der Einzelbewertung nicht berücksichtigt werden. Ein Verlust aus einem schwebenden Geschäft, der zu einer Rückstellung berechtigt, ist also gegeben, wenn der Wert der eigenen Verpflichtung den Wert des Anspruchs auf Gegenleistung übersteigt.[5] Bei der Ermittlung des Verpflichtungsüberschusses sind aber auch Kompensationen einzurechnen. Diese stellen wirtschaftliche Vorteile dar, die in ursächlichem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Mietgeschäft stehen und bewertbar sowie hinreichend realisierbar sind. So hat ein Apotheker bei der Vermietung einer Arztpraxis zu einer verbilligten Miete dann keine Rückstellung zu bilden, wenn sich durch die Arztpraxis Vorteile für das Geschäft der Apotheke ergeben.[6]

 

Rz. 111

Rückstellungen für drohende Verluste aus Miet- und Pachtverträgen lassen sich grundsätzlich nicht damit begründen, dass der Kapitalmarktzins oder der Miet- und Pachtzins nachhaltig gesunken ist.[7]

 

Rz. 112

Für die Verpflichtung zur Zahlung der Mietzinsen für nutzlos gewordene Geschäftsräume ist eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden.[8] Für den Vermieter kommt die Bildung einer Drohverlustrückstellung erst dann in Betracht, wenn er den erwarteten Verlust aus dem Mietverhältnis nicht vollständig durch Abschreibungen auf das Mietobjekt berücksichtigen kann. Bei Untermietverhältnissen tritt die Notwendigkeit der Bildung einer Drohverlustrückstellung entsprechend eher auf. Für den Mieter sind Drohverlustrückstellungen nicht allein deshalb schon zu bilden, weil gleichwertige Mieträume zu günstigeren Konditionen beschafft werden können, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass statt zukünftig drohender Verluste zukünftig entgehende Gewinne zurückgestellt würden.[9] Der Mieter hat eine Drohverlustrückstellung zu bilden, wenn zurechenbare Erträge, z. B. aus einer Weitervermietung an einen Untermieter, den Mietaufwand nicht decken oder wenn eine Zurechnung von Erträgen nicht möglich ist, sofern der Mietgegenstand nicht oder nicht mehr in nennenswertem Umfang zu nutzen und auch nicht anderweitig verwertet werden kann.[10]

 

Rz. 113

Die Höhe der Rückstellung ist in der Weise zu bestimmen, dass dem Anspruch aus dem Mietvertrag auf Zahlung des Mietzinses für die ganze Laufzeit des Mietvertrags der Wert der Verpflichtung zur Überlassung und Erhaltung der vermieteten Sache gegenübergestellt wird. Dabei ist nach § 253 Abs. 1 HGB der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendige Erfüllungsbetrag anzusetzen, der bei Rückstellungen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr zudem abzuzinsen ist mit einem laufzeitadäquaten Durchschnittszinssatz der letzten 7 Geschäftsjahre.

 

Rz. 114

Auch für Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gilt der Grundsatz der Bewertung nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag. Die Rückstellung ist daher auch auf jeden Bilanzstichtag neu zu bewerten. Sie beschränkt sich jeweils auf die Aufwendungen und Erträge des Saldierungsbereichs der Rückstellung, die in den künftigen Geschäftsjahren den Bilanzgewinn vermindern oder erhöhen. Das bedeutet, dass die Rückstellung jeweils in Höhe der im vergangenen Geschäftsjahr verwirklichten Verluste aufzulösen ist, sonst würden diese Verluste doppelt erfasst werden.[11]

[4] Vgl. Bertram, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 12. Aufl. 2022, § 249 HGB Rz. 131.

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