Prinzipiell gilt, dass die Liquiditätslage eines Unternehmens umso günstiger zu beurteilen ist, je höher die ermittelten Liquiditätsgrade ausfallen. Jedoch ist zu beachten, dass eine unnötig hohe Liquidität i. d. R. zu Lasten der Rentabilität geht. Da Bestände an Zahlungsmitteln relativ niedrig verzinst werden, ist die Liquidität ersten Grades in der Praxis meist sehr niedrig, da im Falle kurzfristiger Liquiditätsengpässe i. d. R. Bankkredite aufgenommen werden können.

Der Aussagegehalt der Liquiditätsgrade darf jedoch nicht überbewertet werden. Die Liquiditätsgrade stellen bilanzorientierte Kennzahlen dar und beziehen sich damit auf Vergangenheitsdaten, sodass eine Aussage z. B. über zukünftige Zahlungsverpflichtungen nur bedingt möglich ist. Darüber hinaus werden Liquiditätspotenziale, wie z. B. im Finanzanlagevermögen gehaltene Grundstücke in guter Lage, nicht berücksichtigt. Schließlich wird unterstellt, dass sich alle in die einzelnen Liquiditätsgrade einbezogenen Vermögensgegenstände auch tatsächlich kurzfristig in liquide Mittel umwandeln lassen. Damit wird aber die Möglichkeit außer Betracht gelassen, dass im Umlaufvermögen ggf. auch schwer liquidierbare Positionen enthalten sein können, wie z. B. spezifische Rohstoffe oder nicht marktgängige Zwischenprodukte.

Als Nachteil der Liquiditätsgrade ist insbesondere auch deren Manipulierbarkeit zu nennen. Dies gilt insbesondere für die Perspektive eines externen Analysten, der auf die Bilanzdaten angewiesen ist und dem keine weiteren unternehmensinternen Daten zur Verfügung stehen. So lassen sich Liquiditätsgrade bereits durch eine einfache Bilanzverlängerung bzw. -verkürzung im kurzfristigen Bereich, beispielsweise durch die Aufnahme oder Rückzahlung eines kurzfristigen Kredits am Bilanzstichtag, beeinflussen. Wird z. B. unterstellt, dass vor einer Kreditrückzahlung das Umlaufvermögen eine Höhe von 90.000 EUR aufweist und die kurzfristigen Verbindlichkeiten 50.000 EUR betragen, resultiert daraus eine Liquidität dritten Grades i. H. v. (90.000 EUR / 50.000 EUR =) 180 %. Wird nun am Bilanzstichtag ein kurzfristiger Kredit i. H. v. 10.000 EUR zurückgezahlt, verringert sich das Umlaufvermögen auf 80.000 EUR. Zudem nehmen auch die kurzfristigen Verbindlichkeiten auf 40.000 EUR ab. Demnach ergibt sich nach der Rückzahlung des Kredits eine Liquidität dritten Grades i. H. v. (80.000 EUR / 40.000 EUR =) 200 %. Auf diese Weise kann durch die Rückzahlung eines kurzfristigen Kredits eine Liquidität dritten Grades erzeugt werden, die allgemein anerkannten Standards genügt.

Jedoch ist zu berücksichtigen, dass sich die Rückzahlung des Kredits auch bei den beiden anderen Liquiditätsgraden niederschlägt. So verringert sich die Liquidität ersten Grades auf (5.000 EUR / 40.000 EUR =) 12,5 %. Die Liquidität zweiten Grades wächst demgegenüber durch die Rückzahlung des Kredits auf (50.000 EUR / 40.000 EUR =) 125 % an.

Literaturhinweise

Matschke, J./Hering, T./Klingelhöfer, H., Finanzanalyse und Finanzplanung, München, Wien 2002.

Mensch, G.: Finanz-Controlling, 2. Aufl. 2008.

Perridon, L./Steiner, M./Rathgeber A.,Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Aufl., München 2016.

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