Leitsatz

Bei Leistungen auf dem Gebiet der Werbung ist der Ort der Leistung nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-RL grundsätzlich der Sitz des Dienstleistungsempfängers, wenn dieser außerhalb der EG ansässig ist. Die Mitgliedstaaten können jedoch von diesem Grundsatz abweichen und von der in Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-RL vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen und den Ort der fraglichen Leistung im Inland festlegen.

Wenn von der in Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-RL vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, gilt eine von einem in der EG ansässigen Dienstleistenden zugunsten eines in einem Drittstaat niedergelassenen Empfängers, sei dieser End- oder Zwischenempfänger, erbrachte Leistung auf dem Gebiet der Werbung als in der EG erbracht vorausgesetzt, dass die tatsächliche Nutzung oder Auswertung i.S.v. Art. 9 Abs. 3 Buchst. b 6. EG-RL im Inland des betreffenden Mitgliedstaats erfolgt. Dies ist bei Leistungen auf dem Gebiet der Werbung der Fall, wenn die Werbebotschaften, die Gegenstand der Dienstleistung sind, von dem betreffenden Mitgliedstaat aus verbreitet werden.

Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-RL kann nicht zur Besteuerung von Leistungen im Bereich der Werbung führen, die ein außerhalb der EG ansässiger Dienstleistender seinen eigenen Kunden erbracht hat, auch wenn dieser Dienstleistende als Zwischenempfänger bei einer früheren Dienstleistung aufgetreten ist, da eine solche Leistung nicht in den Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-RL und, allgemeiner, von Art. 9 der 6. EG-RL insgesamt fällt, auf die Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-RL ausdrücklich verweist.

Der Umstand, dass die Dienstleistung nach Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-RL der Steuer unterliegt, steht dem Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen nicht entgegen, wenn er die Voraussetzungen von Art. 2 der 13. EG-RL zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die USt-Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige erfüllt.

Die Benennung eines Steuervertreters als solche hat keine Auswirkung darauf, ob von der vertretenen Person erhaltene oder erbrachte Leistungen der Steuer unterliegen.

 

Normenkette

Art. 9 Abs. 2 Buchst. e, Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-RL, Art. 2 der 13. EG-RL (vgl. Art. 56 Buchst. b und Art. 58 MwStSystRL, § 3a Abs. 4 Nr. 2 und Abs. 5 UStG, § 1 UStDV)

 

Sachverhalt

Die Werbeagentur Athesia (Österreich) erwarb in eigenem Namen und für österreichische und deutsche Kunden Werbeflächen von italienischen Medien (Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen). Athesia hatte eine Tochtergesellschaft (D) mit Sitz in Italien, die von ihr als Steuervertreterin bestimmt war. Die Rechnungen über die Werbeleistungen lauteten auf die Namen der beiden Gesellschaften.

 

Entscheidung

Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.

 

Hinweis

1. Für bestimmte zwischen Unternehmern erbrachte Dienstleistungen, deren Kosten in den Preis der Waren eingehen (z.B. Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-RL für Leistungen auf dem Gebiet der Werbung) soll – zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten – als Ort der Dienstleistung das Land des Dienstleistungsempfängers gelten. Für die Einordnung einer Leistung als "Leistung auf dem Gebiet der Werbung" – zu der auch die nicht in der 6. EG-RL, aber im UStG ausdrücklich genannte Öffentlichkeitsarbeit gehört – ist allein Charakter der Leistung entscheidend. Dass die Leistung zunächst z.B. an eine Agentur und dann an deren Kunden geht (z.B. Filmproduzent erstellt im Auftrag einer Werbeagentur einen Werbefilm für das Produkt des X), ist unerheblich. Davon zu unterscheiden ist die Frage nach dem Leistungsort; dieser ist grundsätzlich für jede Leistung gesondert zu bestimmen. Es kommt daher allein auf Leistenden und Leistungsempfänger des konkreten Leistungsverhältnisses an; unerheblich sind Umsätze, die zeitlich danach stattfinden.

2. Art. 9 Abs. 3 der 6. EG-RL erlaubt den Mitgliedstaaten den Ort einer Dienstleistung, der nach diesem Artikel im Inland liegt, so zu behandeln, als läge er außerhalb der Gemeinschaft, wenn dort die tatsächliche Nutzung oder Auswertung erfolgt, und den Ort einer Dienstleistung, der nach diesem Artikel außerhalb der Gemeinschaft liegt, so behandeln, als läge er im Inland, wenn dort die tatsächliche Nutzung oder Auswertung erfolgt (in Deutschland § 3a Abs. 5 UStG i.V.m. § 1 UStDV). Der Ort, an dem "die tatsächliche Nutzung oder Auswertung" erfolgt, ist das Land, von dem aus der Unternehmer Werbung verbreitet. Insoweit der EuGH zu Recht ganz pragmatisch: Auch wenn – wie im Besprechungsfall – italienische Medien auf der ganzen Welt empfangen werden können, werden italienische Medien in erster Linie in Italien verbreitet und ist deshalb Italien der Ort, an dem die tatsächliche Nutzung oder Auswertung der Leistung der betreffenden Medienunternehmer erfolgt. Diese Beurteilung ist unabhängig davon, ob die Werbung unmittelbar für den Kunden des Medienunternehmers (im Streitfall eine Werbe...

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