Sachverhalt

Bei dem Verfahren ging es um die umsatzsteuerliche Behandlung von Warengutscheinen, die ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer als Ersatz für die Auszahlung von Arbeitslohn in Bargeld aushändigt. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, ein Unternehmen der Pharmabranche, bietet ihren Arbeitnehmern an, teilweise statt in Geld in Form von Einkaufsgutscheinen entlohnt zu werden, die bei bestimmten Einzelhändlern eingelöst werden können. Bei der Gehaltsabrechnung werden die Einkaufsgutscheine mit einem geringeren Wert als dem Nominalbetrag berücksichtigt. Ein Einkaufsgutschein im Wert von 10 GBP kann z. B. bei der Gehaltsabrechnung mit einem Wert von 9,5 GBP berücksichtigt werden; der Arbeitnehmer kann so Waren im Wert von 10 GBP erwerben, obwohl er nur 9,5 GBP seines Gehalts "ausgegeben" hat.

Im Einzelnen funktioniert das System wie folgt: Der Einzelhändler stellt die Einkaufsgutscheine mit einem bestimmten Nominalwert (z. B. 10 GBP) aus und veräußert sie zu einem ermäßigten Preis (z. B. 9 GBP) an eine zwischengeschaltete Gesellschaft. Diese Gesellschaft verkauft ihrerseits die Gutscheine an die Klägerin, die sie ebenfalls für einen geringeren Wert als zum Nominalwert erwirbt (z. B. 9,5 GBP). Die Klägerin verwendet die Gutscheine, um damit diejenigen ihrer Arbeitnehmer, die diese Möglichkeit gewählt haben, einen Teil der Vergütung auszuzahlen. Streitig war, ob die Abgabe der Gutscheine an die Arbeitnehmer einen umsatzsteuerbaren Vorgang darstellt. Die Klägerin hatte vorgetragen, dass der Gutschein nicht als umsatzsteuerbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung anzusehen ist. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt somit nach Auffassung der Klägerin nicht vor. Vielmehr handele es sich bei dem Gutschein um einen Gehaltsbestandteil. Das Gehalt als solches befinde sich außerhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer. Die beklagte britische Finanzbehörde und die die EU-Kommission waren der Meinung, die Abgabe des Gutscheins sei eine Dienstleistung gegen Entgelt und damit ein steuerbarer Umsatz. Nach der UK Regelung ist die Übertragung eines Nennwertgutscheins als Dienstleistung anzusehen. Bei erstmaliger Ausgabe durch einen Einzelhändler unterliegt das Entgelt jedoch nur insoweit der Besteuerung, als es den Nennwert des Gutscheins überschreitet. Auf den sonstigen Handelsstufen ist das jeweilige Entgelt Bemessungsgrundlage. Um zu berücksichtigen, dass der Nennwertgutschein letztlich für Waren/Dienstleistungen mit unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen eingelöst wird, hat die britische Steuerverwaltung Vereinbarungen mit den betroffenen Unternehmern getroffen, nach denen ein gewichteter Durchschnittssteuersatz zur Anwendung kommt.

 

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass die Abgabe der Gutscheine an den Arbeitnehmer eine Dienstleistung (keine Lieferung) darstellt. Der Gutschein ermögliche es dem Arbeitnehmer einen Gegenstand oder eine Dienstleistung in bestimmten Geschäften zu erwerben, so dass, der Gutschein ihm ein zukünftiges und damit noch unbestimmtes Recht an Gegenständen oder Dienstleistungen verleiht. Diese Dienstleistung wird nach dem EuGH-Urteil auch gegen Entgelt erbracht. Die Gegenleistung besteht in dem insoweit erfolgenden Verzicht des Arbeitnehmers auf Auszahlung eines Barlohns.

Das Urteil ist folgerichtig, wirft jedoch auch einige systematische Fragen und insbesondere die Behandlung vergleichbarer Fälle nach deutschem Recht auf. Folgerichtig ist das Urteil deshalb, weil der dem Arbeitnehmer ausgehändigte Gutschein Umsatzsteuer enthalten muss, weil sich die Gestaltung wirtschaftlich so darstellt, als habe der Arbeitgeber mit dem Geld des Arbeitnehmers (hier dem Lohnverzicht) eine Ware oder Dienstleistung für diesen eingekauft. Hierbei handelt es sich um einen Umsatz auf der Letztverbrauchsstufe, der mit Umsatzsteuer belastet sein muss, die der Arbeitnehmer wirtschaftlich zu tragen hat.

Fraglich ist, ob bei der vom EuGH gefundenen Lösung dem Fiskus Umsatzsteuer in zutreffender Höhe zufließt. Nach nationalem Recht beurteilt sich die Übertragung von Gutscheinen, die nicht auf einen im Voraus bereits bestimmten Gegenstand bzw. eine bereits bestimmte sonstige Leistung bezogen sind und daher nicht als Anzahlungen auf die spätere Lieferung dieses Gegenstands bzw. der späteren Ausführung der sonstigen Leistung der Anzahlungsbesteuerung unterliegen, als nicht steuerbarer Umsatz ("Geld gegen Geld"). Wenn der Arbeitnehmer einen Warengutschein in Höhe von 100 EUR bei einem Einzelhändler einlöst, wäre grundsätzlich die in diesem Betrag enthaltene Umsatzsteuer (vom Einzelhändler) abzuführen, weil er dem Arbeitnehmer bei Einlösung des Gutscheins eine Ware gegen Entgelt (hier der Gutschein) verkauft.

In dem Ausgangsverfahren hat der Einzelhändler jedoch nur einen Betrag von 90 EUR bzw. der Zwischenhändler jedoch nur einen Betrag von 95 EUR erhalten. Der Verkauf des Gutscheins des Zwischenhändlers an den Arbeitgeber müsste auch nach deutschem Recht ein steuerbarer Umsatz ("Handel mit Warengutscheinen") sein, so dass der...

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