Leitsatz

Die Kosten eines Verfahrens, das ursprünglich die Eintragung eines höheren Freibetrags auf der LSt-Karte zum Gegenstand hatte und das die Beteiligten nach der Entscheidung des BVerfG vom 09.12.2008 zur Verfassungswidrigkeit von § 9 Abs. 2 S. 1 und S. 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2007 vom 19.07.2006 (BGBl I 2006, 1652, BStBl I 2006, 432) in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, sind dem FA aufzuerlegen. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass § 9 Abs. 2 S. 2 EStG zunächst nur im Weg vorläufiger Steuerfestsetzung ohne die Beschränkung auf "erhöhte" Aufwendungen "ab dem 21. Entfernungskilometer" gilt.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 2 S. 1 und S. 2 EStG, § 138 Abs. 1, § 138 Abs. 2, § 143 Abs. 1 FGO

 

Sachverhalt

Die Beteiligten beendeten das Revisionsverfahren über die Höhe des in der LSt-Karte 2007 einzutragenden Werbungskostenfreibetrags für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Entfernungspauschale), nachdem das BVerG entschieden hatte, indem sie das Verfahren für erledigt erklärten. Damit musste der BFH nur noch über die Kosten des Verfahrens entscheiden.

 

Entscheidung

Der BFH legte dem FA die Kosten des gesamten Verfahrens aus den im Leitsatz und Praxishinweisen dargestellten Gründen auf.

 

Hinweis

Der Besprechungsfall ist ein Kostenbeschluss. Er zeigt anschaulich anhand des Streits um die Entfernungspauschale die verfahrensrechtliche Fortsetzung eines Revisionsverfahrens, nachdem es zeitweise ausgesetzt war, um eine Entscheidung des BVerfG zur verfassungsrechtlichen Beurteilung einzuholen.

1. Die konkrete, im Revisionsverfahren entscheidungserhebliche Streitfrage war bekanntermaßen, ob die Neuregelung der Entfernungspauschale verfassungsgemäß war. Das BVerfG hatte dies mit Urteil vom 09.12.2008 verneint (2 BvL 1/07, u.a. BFH/NV 2009, 338, BFH/PR 2009, 92). Damit war die Grundfrage des Revisionsverfahrens, nämlich die Verfassungsfrage, geklärt. Man könnte auch sagen, damit war "die Sache erledigt". Das war wohl auch steuerpolitisch der Fall. Im prozessualen Sinn war damit aber das nur ausgesetzte Revisionsverfahren noch nicht erledigt; es war nun fortzusetzen. Nach Klärung der verfassungsgerichtlichen Frage bestand aber offensichtlich kein Interesse an dessen Fortsetzung. Im Übrigen hätte die Revision mit dem ursprünglichen Rechtsschutzziel, einen höheren Freibetrag für die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in die LSt-Karte 2007 einzutragen, im Jahr 2009 nicht sinnvoll weiterverfolgt werden können.

2. Kläger und FA zogen daraus die verfahrensrechtlichen Konsequenzen: Der Kläger stellte seinen Revisionsantrag dahingehend um, dass nun festzustellen sei, dass die Ablehnung der Eintragung rechtswidrig war. Daraufhin erklärten beide Verfahrensbeteiligte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, ohne dass es noch auf eine Erledigungserklärung des beigetretenen BMF als sonstigem Beteiligten angekommen wäre.

So hatte der BFH – wie auch schon im Parallelverfahren VI R 27/07 (Beschluss vom 11.02.2009) – nur noch über die Kosten des Verfahrens gem. § 143 Abs. 1 i.V.m. § 138 FGO zu entscheiden.

Maßstab hierfür ist, wie der Rechtsstreit mutmaßlich ausgegangen wäre. Weil der Kläger mit seinem ursprünglichen Rechtsschutzbegehren der Eintragung eines höheren Freibetrags obsiegt hätte, waren die Kosten des gesamten Verfahrens dem FA aufzuerlegen. Das galt ungeachtet der Besonderheit, dass nach der Entscheidung des BVerfG § 9 Abs. 2 S. 2 EStG zunächst nur vorläufig (§ 165 AO) wieder anwendbar war und die Finanzverwaltung das so auch in den ESt-Bescheiden für 2007 durch einen Vorläufigkeitsvermerk entsprechend umgesetzt hatte (vgl. BMF, Schreiben vom 15.12.2008, BStBl I 2008, 1010).

Der Beschluss des Bundestags vom 19.03.2009, der die vor 2007 geltende Rechtslage zur Entfernungspauschale wieder normierte, konnte bei der Kostenentscheidung nicht berücksichtigt werden; an der Kostenentscheidung hätte sich dadurch allerdings auch nichts geändert.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 26.02.2009 – VI R 17/07

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