Rz. 93

In dem in Deutschland vorherrschenden dualen System der Unternehmensverfassung sind die Geschäftsführung und ihre Überwachung sowohl personell als auch funktional strikt voneinander getrennt.[1] So ist die gleichzeitige Mitgliedschaft im geschäftsführenden Organ und im Aufsichtsrat ebenso unzulässig, wie die Übertragung von Geschäftsführungsaufgaben an Aufsichtsratsmitglieder. Zu den Kernaufgaben von Aufsichtsräten zählen die begleitende und die gestaltende Überwachung (§ 111 Abs. 1 und 2 AktG) sowie die Beratung der Geschäftsführung sowohl des Mutterunternehmens als auch der Tochtergesellschaften sowie die Prüfung von (Konzern-)Jahresabschlüssen und (Konzern-)Lageberichten.[2]

 

Rz. 94

Darüber hinaus obliegt dem Aufsichtsrat der Muttergesellschaft im Rahmen seiner allgemeinen Überwachungsaufgaben i. S. d. § 111 Abs. 1 AktG die Pflicht, die nach § 91 Abs. 2 AktG erstellten Risikomanagementsysteme der in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen auf ihre Ordnungs-, Recht- und Zweckmäßigkeit sowie Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Schließlich kommt dem Aufsichtsrat der Muttergesellschaft die Aufgabe zu, eine materielle Prüfung des nach § 315b HGB ggf. erstellten gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts vorzunehmen.[3]

Die Pflicht, auch den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht zu prüfen, ergibt sich für Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften explizit aus § 171 Abs. 1 Satz 1 AktG. Für Unternehmen anderer Rechtsformen, die freiwillig oder auf gesetzlicher, satzungsmäßiger oder gesellschaftsvertraglicher Grundlage einen Aufsichtsrat gebildet haben, gelten die diesbezüglichen Bestimmungen des Aktiengesetzes in aller Regel analog.[4]

 

Rz. 95

Als Voraussetzung für die Wählbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern werden grundsätzlich in § 100 AktG keine besonderen fachlichen Qualifikationen gefordert. Allerdings benötigen die Aufsichtsratsmitglieder zur verantwortungsvollen Wahrnehmung ihrer Überwachungsaufgaben ein umfangreiches Fachwissen in den Bereichen Rechnungslegung und Prüfung. Vor diesem Hintergrund fordert § 100 Abs. 5 letzter Halbsatz lediglich von den Mitgliedern des Aufsichtsrats, dass sie "[...] in ihrer Gesamtheit mit dem Sektor, in dem die Gesellschaft tätig ist, vertraut sein [...]" müssen (sog. Sektorenkenntnis). Zwar wird dem Aufsichtsrat die Prüfung des Konzernabschlusses durch die Vorlage des Prüfungsberichts des Konzernabschlussprüfers gem. § 321 Abs. 5 Satz 2 HGB erleichtert, doch geht der Umfang der Konzernabschlussprüfung durch den Aufsichtsrat über den der externen Prüfung hinaus, da vom Aufsichtsrat neben der Ordnungsmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der (Konzern-)Rechnungslegung, die sich auch auf die Prüfung des konzernweiten RMS bezieht, zu beurteilen ist.[5] Darüber hinaus hat auch der Aufsichtsrat der Muttergesellschaft nach § 171 Abs. 2 Satz 5 AktG zum Ergebnis der Prüfung des Konzernabschlusses durch den Abschlussprüfer (schriftlich) Stellung zu nehmen (§ 171 Abs. 2 Satz 3 AktG) und in diesem Bericht an die Hauptversammlung der Muttergesellschaft zum Schluss zu erklären, "[…] ob nach dem abschließenden Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind und ob er den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluss billigt" (§ 171 Abs. 2 Satz 4 AktG). Da dem Konzernabschluss keine Gewinnverwendungsfunktion zukommt, sieht der Gesetzgeber für den Konzernabschluss lediglich eine förmliche Billigung anstatt einer Feststellung nach §§ 172 und 173 AktG vor.[6] Der Konzernabschlussprüfer hat an den Verhandlungen des Aufsichtsrats oder des Prüfungsausschusses über den Konzernabschluss teilzunehmen "[…] und über die wesentlichen Ergebnisse seiner Prüfung, insbesondere wesentliche Schwächen des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems bezogen auf den Rechnungslegungsprozess, zu berichten" (§ 171 Abs. 1 Satz 2 AktG). Aufgrund der hohen Anforderungen an die Mitglieder des Aufsichtsrats ist eine weitergehende Professionalisierung des Aufsichtsrats zu fordern.

 

Rz. 96

Eine Maßnahme zur Professionalisierung stellt die Einrichtung von Prüfungsausschüssen nach dem angloamerikanischen Vorbild der sog. Audit Committees dar.[7] Der Prüfungsausschuss entlastet den Aufsichtsrat beispielsweise durch die Beschäftigung mit Fragen der Rechnungslegung und des Risikomanagements, die Bestellung des Konzernabschlussprüfers oder die Festlegung von Prüfungsschwerpunkten (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG). Die vollständige Delegation der Konzernabschlussprüfung an den Prüfungsausschuss ist aufgrund der Gesamtverantwortung des Aufsichtsrats jedoch nicht zulässig (§ 107 Abs. 3 Satz 7 AktG). Sofern im Rahmen des Aufsichtsrats der Muttergesellschaft z. B. i. S. d. § 264d HGB ein Prüfungsausschuss eingerichtet wird, müssen mindestens 2 Mitglieder (sog. Financial Experts) die in § 100 Abs. 5 AktG genannten Voraussetzungen erfüllen (§ 107 Abs. 4 AktG), die sich auf die Verfügbarkeit von Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung beziehen.[8]

[1] Vgl. zur Struktur des Überw...

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