Rz. 9

Es ist jedoch geboten, sich an dieser Stelle über die Grenzen und Schwierigkeiten einer externen Konzernabschlussanalyse Gedanken zu machen, denn nur wenn man die Grenzen, Probleme und möglichen Fehlurteile im Auge behält, kann man die durch den Einsatz des bilanzanalytischen Instrumentariums zu gewinnenden Erkenntnisse richtig werten und einschätzen.

Grenzen der externen Konzernabschlussanalyse sind durch folgende Ursachen bedingt:[1]

  • Enger Konzernbegriff: Handelsrechtlich wird nur ein Über-Unterordnungskonzern abgebildet, bei der das Mutterunternehmen bei mindestens einem Tochterunternehmen eine Beherrschungsmöglichkeit hat und gleichzeitig kein Einbeziehungswahlrecht besteht. Somit werden etwa Gleichordnungskonzerne oder in Personalunion geführte Unternehmen gar nicht als Konzern abgebildet und können somit auch nicht zusammengefasst analysiert werden.
  • Mangelhaftigkeit der Informationsquellen: Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte oder sogar das Unterlassen von Bilanzierung bestimmter Positionen in Konzernbilanz und Konzern-GuV, z. B. Nichtaktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, ermöglichen den Ansatz unterschiedlicher Werte. Die Kenntnis der Gestaltungsmöglichkeiten kann teilweise im Rahmen von Korrekturen durch Bilanzanalysten rückgängig gemacht werden.
  • Unvollständigkeit der Informationsquellen: Konzernbilanz und Konzern-GuV liefern nur quantitative Informationen. Wesentliche qualitative Aspekte, wie z. B. die Qualität des Managements und der Mitarbeiter, die Qualität und die technologische Reife der Produkte u. a., sind oft gar nicht vorhanden oder nur indirekt über die Analyse des Konzernlageberichts ableitbar. Erschwert werden Analysen ebenfalls durch eine unzureichende Differenzierung bzw. zu starke Aggregation gerade bei Konzernabschlüssen. So werden häufig Summenabschlüsse nicht offengelegt und einzelne Entwicklungstendenzen kaum dargestellt.
  • Mangelhafte Zukunftsbezogenheit: Konzernabschlüsse sind vergangenheitsorientiert. Ihre Daten beziehen sich auf einen abgeschlossenen Zeitraum der Vergangenheit, die Aussagen über die zukünftige Entwicklung des Konzerns nur unter der Annahme erlauben, dass eine in der Vergangenheit erkennbare Tendenz sich in der Zukunft fortsetzt. Der Konzern-Lagebericht wird im Falle seiner Publizität häufig als "Marketinginstrument"[2] genutzt und beinhaltet nur begrenzte Angaben zur Zukunft. Die Informationen des Konzernabschlusses sind in der Regel erst eine geraume Zeit nach dem Bilanzstichtag verfügbar und damit zum Analysezeitpunkt bereits überholt. Eine zeitnähere Gewinnung von Daten ist nur bei kapitalmarktorientierten Unternehmen möglich, welche Zwischenabschlüsse veröffentlichen und kürzere Offenlegungszeiten haben. Ebenfalls enthalten Ad-hoc-Mitteilungen sehr wichtige Informationen.
  • Vergleiche bergen unterschiedliche Schwierigkeiten, bieten aber auf der anderen Seite wichtige Informationen zur Beurteilung eines Konzerns. Ein Zeitvergleich wird z. B. durch einen veränderten Konsolidierungskreis, eine unterschiedliche Ausnutzung von Wahlrechten[3] oder durch Gesetzesänderungen erschwert, da die erforderlichen detaillierten Angaben in der Regel nicht dem Konzernabschluss zu entnehmen sind. Beim Unternehmensvergleich besteht die Schwierigkeit, einen entsprechenden Vergleichsmaßstab zu finden, da Konzerne sehr häufig heterogen sind oder unterschiedliche Rechnungslegungsnormen angewandt werden. Ein Soll-Ist-Vergleich ist für den externen Analysten nicht durchführbar, da die Soll-Zahlen bzw. das Budget fehlen; er ist nur im Rahmen einer internen Analyse durchführbar.
 

Rz. 10

Diese Grenzen und Schwierigkeiten einer externen Konzernabschlussanalyse führen dazu, dass im Rahmen der Konzernabschlussanalyse nie sichere und endgültige Urteile über den betrachteten Konzern gefällt werden können, sondern immer nur Entwicklungstendenzen oder Auffälligkeiten aufgezeigt sowie Vergleiche von Konzernen untereinander zu einem bestimmten Zeitpunkt durchgeführt werden können.

[2] Z. B. Tesch/Wissmann, Lageberichterstattung, 2009, S. 176.
[3] Allerdings ist Bewertungsstetigkeit gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB gefordert.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge