Rz. 31

Bei Unternehmen mit eingeschränktem Aktivitätenspektrum (Zweckgesellschaften)[1] ist bei der Beurteilung der Beherrschung auf folgende Faktoren abzustellen:[2]

  • Unternehmenszweck und Struktur. Nach IFRS 10.B51 wäre ein Indikator für eine Beherrschung, dass das Mutterunternehmen in den Gründungsprozess involviert war, wobei der Indikator umso stärker zu gewichten ist, wie bei der Gründung die weiteren Entscheidungen des Unternehmens determiniert werden, etwa in Form eines sog. Autopiloten, der kaum laufende Entscheidungen nötig macht. IFRS 10.B52 stellt auf schuldrechtliche Vereinbarungen ab, mit denen ein wesentlicher Teil der Aktivitäten des Beteiligungsunternehmens auf das Mutterunternehmen transferiert wird.
  • Möglichkeit des Mutterunternehmens, die relevanten Aktivitäten zu bestimmen, wofür nach IFRS 10.B18 z. B. spricht, dass der Investor, ohne vertraglich dazu berechtigt zu sein,

    • beim Beteiligungsunternehmen Mitglieder des Managements in Schlüsselpositionen bestellen kann;
    • das Beteiligungsunternehmen anweisen kann, wesentliche Transaktionen zugunsten des Investors vorzunehmen, oder er kann Veränderungen an solchen Transaktionen durch sein Veto verhindern;
    • die Wahl der Mitglieder des Lenkungsorgans des Beteiligungsunternehmens oder aber die Einholung von Stimmvollmachten von anderen Stimmrechtsinhabern dominieren kann oder die Mitglieder des Managements in Schlüsselpositionen beim Beteiligungsunternehmen dem Investor nahestehende Personen sind bzw. es sich bei der Mehrheit der Mitglieder des Lenkungsorgans des Beteiligungsunternehmens um dem Investor nahestehende Personen handelt.
  • Beziehungen zwischen dem Mutter- und dem Beteiligungsunternehmen. Nach IFRS 10.B19 kann es i. V. m. anderen Rechten auf Verfügungsgewalt hindeuten, wenn

    • die Mitglieder des Managements in Schlüsselpositionen beim Beteiligungsunternehmen, die über die Fähigkeit zur Lenkung der maßgeblichen Tätigkeiten verfügen, derzeitige oder ehemalige Mitarbeiter des Investors sind;
    • die geschäftlichen Tätigkeiten des Beteiligungsunternehmens vom Investor abhängig sind, wie etwa bei der finanziellen Abhängigkeit des Beteiligungsunternehmens vom Investor, bei einer Lieferantenabhängigkeit des Beteiligungsunternehmens, bei der Kontrolle von entscheidenden Vermögenswerten wie Lizenzen oder Warenzeichen durch das Mutterunternehmen;
    • der Investor in einen wesentlichen Teil der Tätigkeiten des Beteiligungsunternehmens einbezogen ist oder diese in seinem Namen ausgeführt werden;
    • die Risikobelastung des Investors durch bzw. seine Anrechte auf Renditen aus seinem Engagement in dem Beteiligungsunternehmen unverhältnismäßig größer als seine Stimmrechte oder ähnlichen Rechte sind.
  • Ausmaß der Risiken und Chancen, denen das Mutterunternehmen aus dem Engagement in das Beteiligungsunternehmen ausgesetzt ist. Dabei gibt IFRS 10.B55ff. als Möglichkeiten z. B. an[3]

    • Dividenden, Nachschusspflichten, Liquidationserlöse,
    • Zinsen aus Ausleihungen,
    • Ausfall- bzw. Inanspruchnahmerisiken,
    • Lizenzvergütungen oder Dienstleistungsgeschäfte,
    • Steuervorteile und Synergieeffekte sowie
    • Restwertgarantien, Erwerbsoptionen u. Ä., wenn der Investor als Leasinggeber fungiert.
 

Rz. 32

Anders als mit SIC 12, wo letztlich die Frage der Risikomehrheit zu klären war, wird im IFRS 10 auf eine tendenzielle Wertung aller Indikatoren abgestellt. Dies wird im Schrifttum teilweise als ein weiterer Verlust der Objektivierung gesehen,[4] doch auch die Frage der Risikomehrheit nach SIC 12 ließ sich nicht objektiver beantworten.

 

Rz. 33

Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg benennen als exemplarische Fälle, in denen regelmäßig bereits bei qualitativer Betrachtung von einer Risikomehrheit eines Sponsors bei einer Zweckgesellschaft ausgegangen werden kann:[5]

  • Die Zweckgesellschaft finanziert sich beinahe ausschließlich aus Fremdkapital, welches sie ohne Bürgschaften, Patronatserklärung, Fazilitäten o. Ä. des Sponsors nicht erhalten hätte.
  • Die Fremdmittel stammen vom Sponsor, der dafür keine marktüblichen Sicherheiten erhält.
  • Die Zweckgesellschaft verfügt zwar über ein wesentliches, von außen eingebrachtes Eigenkapital, der Sponsor übernimmt jedoch Risiken der Eigenkapitalgeber, indem er etwa über einen langen Zeitraum ein Recht auf Andienung der Anteile zum Nominalwert zuzüglich einer Verzinsung oder eine Mindestdividende einräumt.
  • Die Zweckgesellschaft hat nur eine begrenzte Zeitdauer und der Sponsor garantiert den Wert am Ende der Laufzeit.
 

Rz. 34

Die Prüfung der Beherrschungsmöglichkeit ist zunächst beim Erwerb bzw. bei Gründung der Zweckgesellschaft und dann zu jedem Konzernbilanzstichtag erneut durchzuführen.[6] Als Betrachtungszeitraum kommt nur die Zeitspanne in Betracht, bis die Abreden der Kapitalgeber enden, d. h. insbesondere Andienungsrechte, Restwertvereinbarungen usw. auslaufen.

 
Praxis-Beispiel

A verleast im operate Lease ein Flugzeug (Nutzungsdauer 20 Jahre) an Dritte. Kapitalgeber der A sind zu gleichen Teilen ein Kreditinstitut, dem das Flugzeug als Sicherheit gestellt wird, und verschiedene Klei...

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