Die Bestimmung des Erwerbszeitpunkts ist von mehrfacher Bedeutung:

  • Der Erwerbszeitpunkt grenzt die mitgekauften alten Gewinne von selbst erwirtschafteten neuen Gewinnen ab. Die alten Gewinne gehen in die Erstkonsolidierung ein. Die ab dem Tag des Unternehmenserwerbs entstehenden Gewinne sind Bestandteil der GuV des Konzerns.
  • Auf den Erwerbszeitpunkt werden die Anschaffungskosten und beizulegenden Zeitwerte bestimmt und dementsprechend die erworbenen Vermögenswerte einschließlich stiller Reserven sowie der goodwill in der Erwerberbilanz angesetzt und fortgeschrieben.
  • Bei Erwerb durch Anteilstausch ergeben sich die Anschaffungskosten aus dem Wert, den die hingegebenen Anteile zum Erwerbsstichtag haben.

Abb. 2: Bedeutung des Erwerbsstichtags

Als Erwerbszeitpunkt (acquisition date) definiert IFRS 3.8 den Tag, an dem die Beherrschung über das erworbene Unternehmen tatsächlich auf den Erwerber übergeht. Zur Beurteilung, ob die Beherrschung tatsächlich übertragen wurde, ist der wirtschaftliche Gehalt des Unternehmenserwerbs heranzuziehen. Danach ist es insbesondere nicht notwendig, dass eine Transaktion rechtlich abgeschlossen ist (IFRS 3.8). Die Bestimmungen bleiben allerdings in dieser Hinsicht allgemein. Eine praxisorientierte Konkretisierung hat folgende Fallunterscheidungen vorzunehmen:

  • vertragliche Rückwirkungen, bei denen die Parteien bspw. in der notariellen Urkunde vom 15.1. vereinbaren, dass das Eigentum am 1.1. übergegangen ist;
  • Genehmigungsvorbehalte, insbesondere gesellschaftsrechtlicher (z. B. bei vinkulierten Namensaktien) oder kartellrechtlicher Art, als Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit des Unternehmens- oder Anteilserwerbs.

Im Fall vertraglicher Rückwirkungen ist der frühere vereinbarte Übergangszeitpunkt nur dann heranzuziehen, wenn die Zeitdifferenz unwesentlich ist und/oder zu diesem Zeitpunkt tatsächlich Besitz, Kontrolle, Fruchtziehungsrecht usw. übergegangen sind.

Im Fall der gesellschafts- oder kartellrechtlichen Genehmigungsvorbehalte kommt es auf den Inhalt der Vereinbarungen für den Schwebezeitraum an. Ist der Veräußerer gehalten, im Schwebezeitraum (quasi-)treuhänderisch zu handeln, wesentliche Investitions-, Personalentscheidungen usw. nicht oder nur nach Initiative des Erwerbers zu treffen, so ist ein Übergang bereits vor dem Genehmigungsdatum anzunehmen.

 

Beispiel

Sachverhalt

Die M AG erwirbt mit notarieller Urkunde vom 10.8.01 100 % der Anteile an der T GmbH von der A AG. Die Urkunde sieht Folgendes vor:

  • Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten zum 1.8.01. Alle Ergebnisse bis zum 31.7.01 stehen noch der A AG zu (Ende Juli 01 haben M und A abgestimmte Ad-hoc-Meldungen über den bevorstehenden Verkauf veröffentlicht).
  • Rechtswirksamkeit der Anteilsübertragung mit kartellrechtlicher Genehmigung (diese erfolgt im November 01).
  • Im Zwischenzeitraum bis zur kartellrechtlichen Genehmigung hat die A AG die Geschäfte der T GmbH mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns im Interesse der M AG so zu führen, dass das Anlagevermögen in einem ordentlichen und betriebsbereiten Zustand verbleibt. Größere Investitionen, Neueinstellungen, Entlassungen usw. sollen ebenso wie Änderungen von Produktionsverfahren, der Abschluss von Risikogeschäften, die Umschuldung von Darlehen usw. unterbleiben oder nur nach vorheriger Zustimmung der M AG vorgenommen werden dürfen. Die M AG hat insoweit das Initiativrecht. Hinsichtlich der im Fall eines Fehlschlagens des Erwerbs bei der A verbleibenden Risiken stellt M Sicherheiten.

Beurteilung

Die A AG verliert spätestens am 10.8.01 die Kontrolle über die T GmbH, da sie im Zeitraum bis zur kartellrechtlichen Genehmigung nur formell die Geschicke der T GmbH bestimmen kann, tatsächlich aber wie ein uneigennütziger Treuhänder die Geschäfte im Interesse der M AG führen muss. Schon vor der rechtlichen Wirksamkeit der Anteilsübertragung geht daher bei wirtschaftlicher Betrachtung die Kontrolle auf die M AG über.

Möglicherweise ist der Kontrollübergang sogar bereits auf den 1.8.01 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt bestanden im Hinblick auf die öffentliche Bekanntmachung (Ad-hoc-Meldung) bereits faktische Verpflichtungen. In analoger Anwendung des Rechtsgedankens aus IAS 37.14(a) und IAS 37.72(b) sowie nach dem Grundsatz substance over form wird daher nicht auf die Rechtsverbindlichkeit der Anteilsübertragungsverpflichtung durch Beurkundung, sondern auf die frühere faktische Einigung abgestellt werden können. Unter dem Gesichtspunkt der materiality ist dies mindestens bei einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum zwischen früher vereinbartem Übergang und Beurkundung vertretbar.

§ 101 BGB sieht (dispositiv) vor, dass bei der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils im Verlauf eines Geschäftsjahres die bis zur Veräußerung erwirtschafteten Gewinne noch dem Veräußerer zustehen. In Kaufverträgen wird häufig hiervon abgewichen. Derartige vertragliche Gewinnaufteilungsabreden berühren für sich allein den Erwerbsstichtag nicht. Wird etwa bei einem zum Jahresende geschlossenen Kaufvertrag über eine Kapi...

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