Ein Konzernabschluss setzt nach IFRS 10 mindestens ein Mutter-Tochter-Verhältnis voraus. Dieses Verhältnis findet seinen Ausdruck in einer Beherrschung, die insbesondere (aber nicht nur) bei einer Stimmrechtsmehrheit gegeben ist. Liegt ein Mutter-Tochter-Verhältnis vor und ist somit die Konzernabschlusspflicht begründet, sind in diesen Konzernabschluss auch assoziierte Unternehmen (maßgeblicher Einfluss) und Gemeinschaftsunternehmen (joint ventures) einzubeziehen.

 

Tipp

Hält die Obergesellschaft keine Anteile an Tochterunternehmen, sondern ist nur an assoziierten Unternehmen beteiligt, liegt kein Konzern vor. Es besteht in diesen Fällen auch keine Konzernabschlusspflicht. Assoziierte Unternehmen sind zwar in einem ohnehin bestehenden Konzernabschluss mit zu konsolidieren, begründen selbst aber keine Konzernbilanzierungspflicht.

Wegen der traditionellen Bedeutung des Konzernabschlusses für den angelsächsischen Rechtskreis ist die Konzernabschlusspflicht nach IFRS größen- und rechtsformunabhängig. Das HGB beschränkt sich auf große Kapitalgesellschaften (und GmbH & Co. KGs) und fordert die Überschreitung bestimmter Schwellenwerte für Bilanzsumme und Arbeitnehmerzahl.

Für deutsche Unternehmen, die gemäß § 315e HGB ihren Konzernabschluss freiwillig oder pflichtweise nach IFRS erstellen, gilt:

  • Das HGB bestimmt, ob ein Konzernabschluss zu erstellen ist (Konzernabschlusspflicht).
  • Die IFRS regeln, wie der Konzernabschluss auszusehen hat, d. h., IFRS 10 entscheidet über den Konsolidierungskreis, IAS 12 über die latenten Steuern, IAS 36 über die außerplanmäßige Abschreibung usw. Lediglich die Lageberichtsvorschriften und einige wenige sonstige Vorschriften des Handelsrechts (z. B. Währung und Sprache des Abschlusses) hat auch der IFRS-Anwender zu beachten.

Diese Arbeitsteilung ist in der Abb. 1 wiedergegeben.

Abb. 1: Arbeitsteilung HGB und IFRS

Zur Arbeitsteilung noch folgendes Beispiel:

 

Beispiel

In der Schneeeifel liegt die Konzernzentrale, von der aus der publizitätsscheue Anton Schmitz sein ganz Europa umspannendes Netz von Handelsfilialen leitet. Das Wahlrecht, die Konzernbilanz nach IFRS statt nach HGB zu erstellen, scheint ihm wie gerufen. Das IFRS-Regelwerk schreibt Sprache und Währung, in der der Abschluss zu erstellen ist, nicht vor. Daher verfällt Anton Schmitz auf die Idee, den Abschluss in Sanskrit zu erstellen und als Währung den Fidji-Dollar (FJD) zu verwenden.

Beurteilung

Der Plan kann nicht gelingen. Zwar kann Schmitz einen voll IFRS-konformen (und damit uneingeschränkt testierbaren) Abschluss in Sanskrit und FJD erstellen. Dieser Abschluss würde aber zur Erfüllung inländischer Publizitätspflichten nicht genügen. Ein IFRS-Konzernabschluss erfüllt diese Pflichten nur dann, wenn § 315e HGB beachtet wird, d. h. u. a., dass der Abschluss in deutscher Sprache und in Euro zu erstellen ist.

Nach dem Weltabschlussprinzip sind grundsätzlich sämtliche Tochterunternehmen, assoziierten Unternehmen und Gemeinschaftsunternehmen in den Konzernabschluss einzubeziehen, unabhängig von ihrem Sitz und ihrem jeweiligen Landesrecht. Das Handelsrecht sieht Ausnahmen z. B. bei unverhältnismäßigen Informationsbeschaffungskosten oder untergeordneter Bedeutung vor, die als Einbeziehungswahlrechte formuliert sind. Nach IFRS 10 bestehen keine besonderen Einbeziehungswahlrechte. Aus dem materiality-Grundsatz kann sich jedoch ein solches Wahlrecht ergeben.

 

Beispiel

Die BASF hat in ihrem IFRS-Konzernabschluss 2018 über 300 Tochter-, Gemeinschafts- und assoziierte Unternehmen wegen Unwesentlichkeit nicht konsolidiert.

Im mehrstufigen Konzern (Mutterunternehmen – Tochterunternehmen – Enkelunternehmen) stellt sich die Frage, ob der Konzernabschluss des Mutterunternehmens das Tochterunternehmen von der Aufstellung eines (Teil-)Konzernabschlusses befreit. § 291 HGB und IFRS 10.4 gewähren die Freistellung im Interesse der Minderheiten nur dann, wenn die Minderheitsgesellschafter einverstanden sind.

 

Beispiel

Die MU-GmbH ist zu je 100 % an der TU1-GmbH und der TU2-GmbH beteiligt. Die Tochterunternehmen halten wiederum 60 % an der EU1- bzw. der EU2-GmbH. Die anderen 40 % werden von X bzw. Y gehalten.

HGB und IFRS betonen das Informationsinteresse der konzernfremden Gesellschafter. In einem Gesamtkonzernabschluss gehen die spezifischen Sachverhalte und Konsolidierungen aus dem Verhältnis TU1-EU1 zahlenmäßig leicht unter, liegen möglicherweise sogar unter der materiality-Schwelle für den Gesamtkonzern. Die zusätzliche Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses TU1-EU1 im Interesse von X und von TU2-EU2 im Interesse von Y ist daher nur dann entbehrlich, wenn X und Y dem nicht widersprechen und TU1 bzw. TU2 nicht selbst börsennotiert sind.

Die den Teilkonzern betreffenden Vorschriften von IFRS 10 sind jedoch für den deutschen Anwender ohne Rechtsverbindlichkeit. Wie oben dargestellt, ergibt sich die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses (damit z. B. auch die Befreiung von dieser Pflicht bei einem Teilkonzern) ausschließlich aus den handelsrechtlichen Reg...

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