Rz. 113

Verallgemeinernd handelt es sich bei Gemeinschaftsunternehmen um rechtlich selbstständige Unternehmen mit vertraglichen Vereinbarungen über die Durchführung wirtschaftlicher Aktivitäten unter gemeinsamer Leitung zwischen zwei oder mehreren voneinander unabhängigen Parteien, wobei die wirtschaftliche Zusammenarbeit und somit die Verfolgung gemeinsamer Interessen im Vordergrund steht.[1] Es handelt sich somit um Unternehmen, die von einem in den Konzernabschluss einbezogenen Mutter- oder Tochterunternehmen und einem oder mehreren anderen nicht zum Konzern gehörenden Unternehmen gemeinsam geführt werden (DRS 27.10). Für Gemeinschaftsunternehmen (jointly controlled entities) besteht nach § 310 HGB ein Wahlrecht, diese Unternehmen im Rahmen der Quotenkonsolidierung (proportionate consolidation) oder als equity-Bewertung zu berücksichtigen. Die Auslegung erfolgt in der Rechnungslegungsempfehlung DRS 9, die zum 1.1.2020 durch DRS 27 ersetzt wird; eine vorzeitige Anwendung des DRS 27 wird empfohlen. Demgegenüber erfolgt bei der Bilanzierung nach US-GAAP eine Bewertung entsprechend der Equity-Methode, was vom IASB ebenfalls seit dem 1.1.2014 mit IFRS 11 gefordert wird.[2] Nach IAS 31 (Financial Reporting of Interests in Joint Ventures) war eine anteilsmäßige Konsolidierung noch erlaubt. Es kommt mit IFRS 11 zu einer neuen Unterteilung: Gemeinschaftliche Tätigkeiten sind von Gemeinschaftsunternehmen zu trennen.[3] Gemeinschaftliche Tätigkeiten liegen vor, wenn die Vermögenswerte und Schulden den Gesellschaftern zuzurechnen sind (auch wenn diese in eine Gesellschaft zusammengeführt sind). Rechtsfolge ist die Übernahme der zurechenbaren Vermögenswerte und Schulden sowie Aufwendungen und Erträge in die (Konzern-)Bilanz. Die Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventures) sind nur noch nach der equity-Methode zu bewerten.[4] Das Wahlrecht zur Quotenkonsolidierung wird somit abgeschafft. Für die bislang quotal konsolidierten Unternehmen bestehen Übergangsvorschriften, um auf die equity-Bewertung zu wechseln.[5] Daher wird im Folgenden nur auf die Quotenkonsolidierung nach HGB eingegangen.

 

Rz. 114

Für die Einstufung als Gemeinschaftsunternehmen sind weder die einzelnen Beteiligungshöhen noch die Anzahl von Gesellschafterunternehmen bestimmend. Konstitutives Merkmal ist vielmehr die tatsächlich ausgeübte gemeinsame Führung, die sich darin ausdrückt, dass die Gesellschafterunternehmen die Geschäftspolitik in wesentlichen Fragen gemeinsam bestimmen und keinem Beteiligten besondere Leitungsbefugnisse zustehen, die Unabhängigkeit der Gesellschafterunternehmen und eine i. d. R. auf Dauer ausgerichtete Zusammenarbeit, die nach DRS 27.10 vertraglich fixiert sein muss.[6] Nach DRS 27.16 kann es sich dabei um schuldrechtliche Vereinbarungen, z. B. in Form von sog. Joint-Venture-Verträgen oder Stimmrechtspooling-Verträgen, um gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen oder um (Vorschalt-)Strukturen zur Koordination der gemeinsamen Willensbildung, z. B. Stimmrechts-GbR, handeln. Die Möglichkeit zur Ausübung der gemeinschaftlichen Leitung in Analogie zum control-Prinzip des § 290 Abs. 1 HGB ist somit nicht ausreichend. Dabei ist es aber denkbar, dass die Gesellschafter sich die Führungsrollen aufteilen, etwa in technische und kaufmännische Führung, wobei aber sichergestellt sein muss, dass bei unterschiedlichen Auffassungen einvernehmliche Entscheidungen herbeizuführen sind. DRS 27.11 unterstellt daher, dass das Mutterunternehmen oder das in den Konzernabschluss einbezogene Tochterunternehmen an der Festlegung der für die Finanz- und Geschäftspolitik des Gemeinschaftsunternehmens wesentlichen Entscheidungen tatsächlich gleichberechtigt mitwirkt.

 

Rz. 115

Bei Arbeitsgemeinschaften, deren Zusammenarbeit von Beginn an zeitlich befristet ist und die häufig in der Rechtsform der GbR geführt werden, ist die Zuordnung als Gemeinschaftsunternehmen i. S. d. HGB im Schrifttum strittig. Nach DRS 27.18 hängt die Mindestdauer der vertraglichen Vereinbarung von der vom Gemeinschaftsunternehmen verfolgten Geschäftstätigkeit ab. Das Merkmal der Dauerhaftigkeit schließt nicht aus, dass das Gemeinschaftsunternehmen von vornherein nur für eine gewisse Dauer, z. B. zur Abwicklung eines Großprojekts, errichtet wird. Es ist im Zweifel jedoch stets eine Unternehmenseigenschaft nachzuweisen (DRS 27.8), welche gem. HFA 1/1993 dann als gegeben anzusehen ist, wenn

  • das Vermögen ganz oder teilweise gesamthänderisch gebunden ist,
  • erwerbswirtschaftliche Interessen verfolgt werden,
  • mittels einer Organisation nach außen in Erscheinung getreten wird sowie
  • Rechtsbeziehungen zu Dritten oder zu Unternehmen des Konzernverbundes bestehen.[7]
 

Rz. 116

Hinsichtlich der Anzahl der gemeinschaftlich führenden Gesellschafter werden als Obergrenze in der Literatur 5 Gesellschafter genannt, da gem. § 311 Abs. 1 Satz 2 HGB bei unter 20 % kein maßgeblicher Einfluss mehr vermutet wird.[8] Grundsätzlich können jedoch auch mehr Gesellschafter ein Gemeinschaftsunternehmen führen, da es sich le...

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