Rz. 35

Da es sich bei der Neubewertungsmethode um eine Vollkonsolidierung unter Erwerbsfiktion handelt, setzt ihre Anwendung die Konsolidierung eines Tochterunternehmens voraus. Zu beachten ist jedoch, dass die in § 290 Abs. 1 oder 2 HGB genannten Kriterien für das Bestehen eines Mutter-Tochter-Verhältnisses nicht nur bei einer Beteiligung von 100 % gelten. Bei einer Beteiligungsquote von unter 100 % würde die vollständige Übernahme aller Vermögensgegenstände und Schulden des Tochterunternehmens die Vermögenslage des Konzerns unzutreffend darstellen, wenn im Konzernabschluss nicht deutlich gemacht wird, dass ein der Beteiligungsquote entsprechender Anteil konzernfremden Minderheitsgesellschaftern zusteht. Deshalb ist in solchen Fällen gem. § 307 Abs. 1 HGB ein Ausgleichsposten für nicht dem Mutterunternehmen gehörende Anteile in Höhe des Anteils anderer Gesellschafter am Eigenkapital des Tochterunternehmens zu bilden und auszuweisen.

 

Rz. 36

Bei der Neubewertungsmethode werden die Anteile anderer Gesellschafter auf der Basis des neu bewerteten Eigenkapitals ermittelt und innerhalb des Konzerneigenkapitals als gesonderter Posten mit der nach dem BilRUG für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2015 beginnen, geforderten Bezeichnung "Nicht beherrschende Anteile" ausgewiesen. Ein nach der Aufrechnung des Beteiligungsbuchwertes mit dem anteiligen Eigenkapital des Mutterunternehmens evtl. verbleibender Geschäfts- oder Firmenwert muss mit Bezug auf § 307 Abs. 1 Satz 2 HGB ausschließlich dem Mutterunternehmen zugerechnet werden. Eine quotale Aufteilung auf Mehrheits- und Minderheitsgesellschafter kommt handelsrechtlich, anders als bei der wahlweise möglichen full-goodwill-Methode nach IFRS, nicht in Betracht. Im Hinblick auf Folgekonsolidierungen bedeutet dies, dass zusätzliche Abschreibungen aufgedeckter stiller Reserven quotal zulasten des Ergebnisanteils der Muttergesellschaft und des Minderheitsanteils gehen, während die Abschreibung des Geschäfts- oder Firmenwertes nur zulasten des Mutterunternehmens erfolgt.

 

Rz. 37

Da sich die Neubewertungsmethode dadurch auszeichnet, dass die Konsolidierung des Beteiligungsbuchwertes auf Basis des neu bewerteten Eigenkapitals des Tochterunternehmens erfolgt, d. h. die stillen Reserven und Lasten vor der eigentlichen Konsolidierung maximal bis zur Höhe des gesamten Beteiligungsbuchwertes aufgedeckt werden, bedeutet dies im Falle von Minderheitsanteilen, dass der Ausgleichsposten für nicht beherrschende Anteile auch stille Reserven oder Lasten enthält. Es wird unterstellt, "dass die Minderheiten im Zeitpunkt der erstmaligen Konsolidierung einen Preis für die Anteile gezahlt haben, der ihrem Anteil am konsolidierungspflichtigen Kapital und an den aufgedeckten stillen Reserven entspricht."[1] Der Ausgleichsposten für nicht beherrschende Anteile stellt sich im Vergleich zur Buchwertmethode folglich in seiner Zusammensetzung und Höhe anders dar. Nach der per Wahlrecht anzuwendenden full goodwill method nach IFRS 3.19 können die nicht beherrschenden Anteile auch einen fiktiv zugerechneten GoF-Anteil beinhalten.[2] Diese nicht beherrschenden Anteile sind unabhängig von der Nutzung des Wahlrechts stets gesondert im Eigenkapital des Konzerns auszuweisen (IAS 1.54q).

[1] Vgl. Schildbach, Der handelsrechtliche Konzernabschluss, 3. Aufl. 1994, S. 158.
[2] Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS Kommentar, 20. Aufl. 2022, § 31 Rz. 145.

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