Leitsatz

Die Art. 6 Abs. 4 und Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. Richtlinie 77/388/EWG des Rats vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage sind dahin auszulegen, dass, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer bei der Annahme von Wetten, die nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit sind, im eigenen Namen, aber für Rechnung eines die Tätigkeit eines Wettannehmers ausübenden Unternehmens auftritt, dieses Unternehmen gem. Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie so behandelt wird, als ob es dem genannten Wirtschaftsteilnehmer Wettdienstleistungen erbrächte, die unter die genannte Steuerbefreiung fallen.

 

Normenkette

Art. 5 und Art. 6 der 6. EG-RL (§ 3 Abs. 3 und Abs. 11 UStG)

 

Sachverhalt

TFB, eine AG, befasste sich mit der Annahme von Wetten und bediente sich dabei Wettbüros, mit denen sie "Kommissionsverträge" abgeschlossen hatte. Diese waren zwar in der Organisation ihrer Agentur frei, solange sie die inhaltlichen Vorgaben des Auftrags erfüllten. Die Wettscheine mussten neben dem Wettbüro den Hinweis auf TFB und deren AGB enthalten. Fraglich war, ob die Provisionen an die Wettbüros steuerbefreit sind, weil letztere als Kommissionäre anzusehen und daher auch ihre Provisionen – wie die Leistungen der TFB – steuerbefreit seien.

 

Entscheidung

Die Besprechungsentscheidung stützt sich auf die Prämisse des vorlegenden Gerichts, dass ein Kommissionsgeschäft vorlag. Ob diese Prämisse zutreffend war, ist nach dem mitgeteilten Sachverhalt zweifelhaft. Sie veranlasste den EuGH zum Hinweis darauf, dass es für die Prüfung des Außenverhältnisses eine Rolle spiele, ob die Ausübung der Tätigkeit eine behördliche Genehmigung erfordert, auf den von den Wettbürobetreibern ausgestellten Wettscheinen der Name von TFB erwähnt wird, die Kunden gemäß den Angaben auf den Wettscheinen die Geschäftsbedingungen dieser Gesellschaft akzeptieren, die von den Wettbürobetreibern geführten Geschäfte das Firmenschild von TFB tragen, die deren Eigentümerin ist, und ob die Wettbürobetreiber vor dem streiterheblichen Zeitpunkt als Bevollmächtigte handelten.

Eine Befreiung der Umsätze komme jedenfalls nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen des Kommissionsgeschäfts tatsächlich erfüllt waren.

 

Hinweis

1. Nach Art. 5 der 6. EG-RL gilt als Lieferung "die Übertragung eines Gegenstands aufgrund eines Vertrags über eine Einkaufs- oder Verkaufskommission" und nach Art. 6 werden „Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, "… so behandelt, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten". § 3 Abs. 3 und Abs. 11 UStG folgen zwar – wie auch sonst eine Reihe von Vorschriften des UStG – nicht unmittelbar dem Wortlaut der Richtlinie. Sie führen jedoch zum selben Ergebnis, sofern man § 3 Abs. 3 UStG, der auf das Kommissionsgeschäft i.S.d. § 383 HGB verweist, richtlinienkonform auslegt.

2. Vor der Anwendung der Regelungen zum Kommissionsgeschäft steht allein die – das nationale Recht betreffende – Prüfung, wer in wessen Namen eine Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) erbringt und ob dies auf fremde Rechnung geschieht. Die erste Prüfung betrifft das Außenverhältnis (desjenigen, der gegenüber dem Abnehmer auftritt) und ist unter Berücksichtigung des gesamten Sachverhalts und insbesondere der Natur der vertraglichen Verpflichtungen des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers durchzuführen. Zu beurteilen ist dessen Rolle im Verhältnis zu seinen Kunden. Erst dann stellt sich die Frage, ob dies auf eigene oder – als dessen Kommissionär oder Strohmann – fremde Rechnung geschieht. Überholt (z.B. BFH, Urteil vom 10.09.2011, XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867) ist in diesem Zusammenhang die Auffassung, die Weisungsgebundenheit des im Außenverhältnis Handelnden sei von umsatzsteuerrechtlicher Bedeutung (vgl. hierzu die unter dem Stichwort "Strohmann" oder "Unternehmereigenschaft" thematisierte Überlegung z.B. von Heidner in Bunjes/Geist, UStG 9. Aufl., § 2 Rz. 93 f.) Ein solches Auftreten im eigenen Namen, aber für Rechnung eines Dritten, bedeutet, dass das Rechtsverhältnis unmittelbar zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer besteht und nicht unmittelbar zwischen Abnehmer und dem Unternehmer, für dessen Rechnung der (hinzutretende) Wirtschaftsteilnehmer tätig wird (Kommissionär oder Strohmann). Anderes gilt nur für den Fall, dass in diesem Verhältnis (Außenverhältnis) ein Scheingeschäft (§ 41 AO) anzunehmen ist. Liegt kein Scheingeschäft vor, sind die Regeln für das Kommissionsgeschäft maßgeblich.

3. Die umsatzsteuerrechtlichen Regelungen zum Kommissionsgeschäft bewirken bei der Leistungskommission die juristische Fiktion zweier gleichartiger Dienstleistungen, die nacheinander erbracht werden. Nach dieser Fiktion wird der Wirtschaftsteilnehmer, der bei der Erbringung von Dienstleistungen "hinzutritt" und Kommissionär ist, so behan...

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