Leitsatz

1. Die Prüfung der Fragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Art. 24 Abs. 3 und 28i der 6. EG-RL sowie des Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL im Hinblick auf Art. 49 EG berühren könnte.

2. Die Art. 24 und 24a der 6. EG-RL sowie die Art. 284 bis 287 MwStSystRL sind dahin auszulegen, dass der Begriff "Jahresumsatz" den Jahresumsatz meint, den ein Unternehmen in einem Jahr in dem Mitgliedstaat erzielt, in dem es ansässig ist.

 

Normenkette

Art. 6. EG-RL, Art. 24 Abs. 3 und 28i MwStSystRL, Art. 283 Abs. 1 Buchst. c, Art. 12, Art. 43, Art. 49 EG (§ 19 UStG)

 

Sachverhalt

Frau Schmelz, einer in Deutschland ansässigen deutschen Staatsangehörigen, vermietete (als einzige unternehmerische Tätigkeit) eine Wohnung in Österreich. Die Finanzverwaltung versagte ihr unter Hinweis auf die fehlende Ansässigkeit in Österreich den Vorteil der Kleinunternehmerregelung.

 

Entscheidung

Die wesentlichen Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Die Kleinunternehmerregelung verstößt auch mit der Beschränkung auf Unternehmer, die im jeweiligen Mitgliedstaat ansässig sind, nicht gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts.

 

Hinweis

Das Verfahren betraf die Frage, ob die in den beiden RL sowie im nationalen Recht enthaltene Beschränkung der Kleinunternehmerregelung auf Unternehmer, die im Inland ansässig sind, gegen höherrangiges Unionsrecht verstößt.

1. Der Begriff der Niederlassung i.S.d. Vertrags ist zwar sehr weit gefasst; er setzt aber voraus, dass eine dauernde Präsenz im Aufnahmemitgliedstaat sichergestellt ist und dass im Fall des Erwerbs und des Besitzes von Grundstücken deren Verwaltung aktiv erfolgt. Eine solche dauernde Präsenz muss sich auf der Grundlage objektiver und nachprüfbarer Anhaltspunkte feststellen lassen, die sich u.a. auf das Ausmaß des greifbaren Vorhandenseins in Form von Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen beziehen.

2. Der Dienstleistungsbegriff i.S.d. Vertrags umfasst Dienstleistungen ganz unterschiedlicher Art – wie z.B. auch die Vermietung. Eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs liegt vor bei Maßnahmen der nationalen und der Unionsorgane, wenn diese geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen; dies gilt auch für alle verschleierten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen, wie z.B. Anknüpfung an den Wohnsitz, denn dies kann sich hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirken, da die Gebietsfremden meist Ausländer sind.

3. Die Kleinunternehmerregelung führt zu einer günstigeren Situation der im Mitgliedstaat ansässigen Unternehmer, ist aber durch den Zweck der Regelung gerechtfertigt:

a) Das Erfordernis, die Wirksamkeit der Steueraufsicht zu gewährleisten, ist ein zwingender Grund des Allgemeininteresses, der eine Beschränkung der vom Vertrag garantierten Verkehrsfreiheiten rechtfertigen kann. Die Beschränkung muss allerdings dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, also geeignet sein, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen. Hinsichtlich der Kleinunternehmerregelung gilt, dass zum einen der Aufnahmemitgliedstaat eine wirksame Kontrolle der Tätigkeiten, die ein nicht im Inland ansässiges Kleinunternehmen im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausübe, nicht leisten kann. Zum anderen sollen die Verwaltungsvereinfachungen zu ­einer stärkeren Gründung und Tätigkeit von Kleinunternehmen führen und deren Wettbewerbsfähigkeit stärken sowie ein angemessenes Verhältnis zwischen dem mit der Steueraufsicht verbundenen Verwaltungsaufwand und dem zu erwartenden Steueraufkommen wahren, insbesondere den Verwaltungsaufwand verringern, der mit den steuerpflichtigen Umsätzen verbunden ist. Dies würde durch das Erfordernis von Kontrollen und der Einholung von Informationen in anderen Mitgliedstaaten, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Kleinunternehmerregelung vorliegen, konterkarieren.
 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 26.10.2010, C-97/09 – Ingrid Schmelz –

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