Leitsatz

1. Der Verlustfeststellungsbescheid nach § 15b Abs. 4 EStG und die gesonderte und einheitliche Feststellung i.S. der §§ 179 Abs. 1 und Abs. 2, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind zwei eigenständige Verwaltungsakte, die nach § 15b Abs. 4 Satz 5 EStG verbunden werden können.

2. Hinsichtlich des an eine Personengesellschaft gerichteten, mit dem Gewinnfeststellungsbescheid verbundenen Verlustfeststellungsbescheids nach § 15b Abs. 4 EStG sind neben der Gesellschaft nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO auch deren Gesellschafter, für die nicht ausgleichsfähige Verluste festgestellt worden sind, nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO klagebefugt. Klagt nur die Personengesellschaft gegen den Verlustfeststellungsbescheid, sind die betroffenen Gesellschafter nach § 60 Abs. 3 i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO notwendig beizuladen.

3. Die Anwendungsregelung zu § 15b EStG (im Streitfall § 52 Abs. 33a Satz 1 EStG) und die Frage, ob im konkreten Fall die Einkunftsquelle als Steuerstundungsmodell i.S. des § 15b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG einzuordnen ist, sind anleger- bzw. gesellschafterbezogen zu prüfen.

4. Ein Steuerstundungsmodell i.S. von § 15b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG kann auch vorliegen, wenn die prognostizierten Verluste auf gesetzlichen Abschreibungsmethoden (degressive AfA, Sonderabschreibungen) beruhen. Die Verlustausgleichsbeschränkung des § 15b EStG steht nicht im Widerspruch zu vom Gesetzgeber geschaffenen Lenkungsmaßnahmen.

 

Normenkette

§ 48 Abs. 1 Nrn. 1, 3, 5, § 60 Abs. 3 FGO, § 15b, § 52 Abs. 33a Satz 1 EStG

 

Sachverhalt

An einem Fonds in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG hatten sich in den Jahren 2005 bis 2006 zahlreiche Kommanditisten beteiligt. Der Fonds sollte Biogasanlagen errichten und betreiben. Der 142-seitige Anlageprospekt richtete sich an Kleinanleger und erläuterte auf sieben Seiten die steuerliche Rechtslage. Danach sollten Sonderabschreibungen in Anspruch genommen und degressive AfA gewählt werden, woraus ein Anfangsverlust von 1,4 Mio. EUR erwartet wurde.

Tatsächlich kam es zu geringeren Verlusten, die für die Streitjahre 2005 bis 2007 gesondert und einheitlich festgestellt wurden. Damit verbunden waren Feststellungen des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG, weil das FA von einem Steuerstundungsmodell ausging. Hiergegen erhob die KG erfolglos Einspruch und anschließend Klage. Während des Klageverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über die KG eröffnet.

Das FG (FG Münster, Urteil vom 24.11.2015, 12 K 3933/12 F, Haufe-Index 9065317, EFG 2016, 362) gab der Klage statt und hob die Feststellung verrechenbarer Verluste nach § 15b EStG auf, weil es sich nicht um ein Steuerstundungsmodell gehandelt habe.

 

Entscheidung

Die Revision des FA führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das FG. Das FG müsse die Beiladung der Kommanditisten nachholen. Zwar sei die KG klagebefugt und das Verfahren sei durch deren Insolvenz nicht unterbrochen. Klagebefugt seien aber auch die Kommanditisten, weshalb diese beigeladen werden müssten. Für jeden Kommanditisten sei noch zu prüfen, ob § 15b EStG für ihn überhaupt zeitlich anwendbar sei. Soweit § 15b EStG Anwendung finde, könne ein Steuerstundungsmodell auch vorliegen, wenn es sich um eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Investition handele, bei der Verluste aus der Inanspruchnahme von gesetzlichen Abschreibungen entstünden.

 

Hinweis

1. Das Urteil betrifft in erster Linie Verfahrensfragen bei Klagen gegen die Feststellung verrechenbarer Verluste nach § 15b Abs. 4 EStG (nachfolgend unter 2.). Es enthält darüber hinaus aber auch Ausführungen zum zeitlichen Anwendungsbereich des § 15b EStG (3.) und zu den Voraussetzungen für die Annahme eines Steuerstundungsmodells (4.).

2. Die Feststellung, dass ein aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft bezogener Verlust verrechenbar nach § 15b EStG ist, kann mit dem ­Gewinnfeststellungsbescheid für die Personengesellschaft verbunden werden. Ungeachtet dessen handelt es sich um einen eigenen Verwaltungsakt, der eigenständig angefochten werden kann und muss. Inhaltlich betrifft diese Feststellung jeden einzelnen Gesellschafter persönlich und unterscheidet sich dadurch von Feststellungen, die gemeinschaftlich verwirklichte Steuertatbestände betreffen. Deshalb dient es nur der Praktikabilität, dass § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO für die Gesellschaft eine Einspruchs- und Klagebefugnis schaffen. In jedem Fall ist der Gesellschafter auch selbst klagebefugt und muss deshalb immer hinzugezogen bzw. notwendig beigeladen werden, wenn die Gesellschaft Einspruch oder Klage erhebt. Zu der Klage eines einzelnen Gesellschafters ist umgekehrt die Gesellschaft beizuladen, nicht aber die anderen Gesellschafter.

3. Dass § 15b Abs. 4 EStG immer eine individuell den Gesellschafter betreffende Feststellung meint, zeigt sich u.a. daran, dass die Regelung zur erstmaligen Anwendung der Norm auf individuelle Merkmale abstellt. Anzuwenden ist die Vorschrift erstmals u.a. auf Verluste aus Steuerstundungsmodellen...

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