Leitsatz

Wird ein Kind nach Ende der Berufsausbildung arbeitslos und teilt es dies im Rahmen des Antrags auf Bezug von Leistungen nach dem SGB II der dafür zuständigen Stelle mit, ist gleichzeitig eine Meldung als Arbeitsuchender i.S.d. § 122 SGB III anzunehmen (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 22.9.2011, III R 78/08, BFH/NV 2012, 204).

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG, § 2, § 3 Abs. 2 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 3, § 37 SGB II, § 118, § 119 Abs. 1, § 122 Abs. 1 SGB III

 

Sachverhalt

Die Klägerin K bezog für ihre im März 1988 geborene Tochter J Kindergeld bis Juli 2006; J absolvierte bis Juli 2006 eine Ausbildung ohne Ausbildungsvergütung. Die ARGE bewilligte J befristet bis August 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Grundsicherung für Arbeitsuchende, SGB II). Wegen Wegfalls der bis zum 31.7.2006 gewährten Leistungen nach dem BAFöG bewilligte die ARGE erhöhte Leistungen ab 1.8.2006 bzw. 1.9.2006 bis 31.8.2006 bzw. 30.11.2006. Im September 2006 beantragte K die Kindergeldfestsetzung für J ab August 2006. Dies lehnte die Familienkasse ab, nachdem die ARGE mitgeteilt hatte, dass J dort nicht arbeitsuchend gemeldet sei. Aufgrund des Einspruchs setzte die Familienkasse Kindergeld zwar ab November 2006 fest, lehnte aber eine Kindergeldfestsetzung für August bis Oktober 2006 weiterhin ab. Das FG entsprach der dagegen gerichteten Klage der K (Sächsisches FG, Urteil vom 24.3.2009, 5 K 2355/06 [Kg], Haufe-Index 2142953, EFG 2010, 1326).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen das Urteil des FG.

 

Hinweis

Im Streitfall ging es um die gesetzliche Voraussetzung der Kindergeldfestsetzung für Kinder im Alter zwischen 18 und 21 Jahren, d.h. dass das Kind bei der Agentur für Arbeit als Arbeitssuchender gemeldet ist (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG).

1. Eine solche "Meldung" (§ 118 Abs. 1 i.V.m. § 122, § 119 Abs. 1 SGB III 2006) genügt grundsätzlich und kann auch bei der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Stelle (ARGE) erfolgen. Unerheblich ist dabei, ob es dann behördenseitig zu einer "Registrierung" des arbeitsuchenden Kindes gekommen ist; der Registrierung kommt insbesondere keine Tatbestandswirkung zu (vgl. BFH, Urteil vom 25.9.2008, III R 91/07, BFH/NV 2009, 450, BFH/PR 2009, 179). Entscheidend ist vielmehr, ob sich das Kind jeweils im konkreten Fall tatsächlich als Arbeitsuchender gemeldet hat. Daher kann die Meldung etwa auch durch den Bezug von Arbeitslosengeld nachgewiesen werden.

2.SGB II regelt die Grundsicherung für "Arbeitsuchende", so in § 2 SGB II deren Pflicht zur Arbeitsuche. Angesichts dieser gesetzlichen Zielsetzung kann deshalb auch ein Antrag auf Leistungen beim Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach den Umständen des Einzelfalles zugleich eine Meldung als Arbeitssuchender sein. Denn für eine solche Meldung genügt es, gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit oder ARGE persönlich die Tatsache einer künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit anzuzeigen. Der Streitfall zeigt eine solche Konstellation: das Kind hatte die ARGE über seine Beschäftigungslosigkeit nach Ende der Ausbildung persönlich in Kenntnis gesetzt, sich also damit als arbeitsuchend gemeldet (Mitteilung i.S.d. § 122 SGB III). Ab diesem Zeitpunkt konnte die ARGE Vermittlungsbemühungen starten, um die Arbeitslosigkeit möglichst rasch zu beseitigen.

3. Der BFH sah insbesondere keine Notwendigkeit einer "ausdrücklichen" Meldung als Arbeitsuchende; die ARGE musste die Anzeige der Arbeitslosigkeit der Familienkasse zukommen lassen. Allerdings sind eben die Umstände des Einzelfalles dafür entscheidend, ob die zuständige Stelle tatsächlich ausreichend informiert wurde; den Kontrastfall dazu zeigt dann auch das Urteil des BFH vom 22.9.2011 (III R 78/08, BFH/NV 2012, 204): ein kommentarloser Antrag nach § 37 SGB II kann als Meldung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG ungenügend sein.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.7.2012 – VI R 98/10

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