Leitsatz

Wendet sich der Einspruchsführer isoliert gegen die im Rahmen einer Einspruchsentscheidung ergangene Kostenentscheidung nach § 77 Abs. 1 und 2 EStG, ist statthafter Rechtsbehelf hiergegen ausschließlich die Klage, nicht (auch) der Einspruch.

 

Normenkette

§ 77 EStG, § 347, § 348 Nr. 1 AO, § 44 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 55 Abs. 2 Satz 1, § 145 FGO, § 63 SGB X, § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2, § 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO

 

Sachverhalt

Die Familienkasse hatte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Kindergeld zunächst abgelehnt, dann aber in der Einspruchsentscheidung Kindergeld für einige Zeiträume festgesetzt, den Einspruch hinsichtlich anderer Monate als unbegründet zurückgewiesen und hinsichtlich der Kosten entschieden, dass die dem Kläger im Rechtsbehelfsverfahren entstandenen Aufwendungen nicht übernehmen würden.

Die Einspruchsentscheidung wurde den inländischen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29.7.2011 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Sie enthielt die einheitliche Rechtsbehelfsbelehrung, dass Klage beim FG erhoben werden könne. Über den Beginn der Klagefrist führte sie aus: "Bei Zusendung durch einfachen Brief oder Zustellung durch eingeschriebenen Brief gilt die Bekanntgabe einen Monat nach Aufgabe zur Post als bewirkt …. Bei Zustellung durch Einschreiben gegen Rückschein ist Tag der Bekanntgabe der Tag der Zustellung ...".

Der Kläger nahm die Entscheidung über seinen Kindergeldanspruch hin, legte aber gegen die Ablehnung der anteiligen Übernahme seiner Anwaltskosten Einspruch ein. Nachdem dieser als unzulässig verworfen worden war, erhob er am 3.2.2012 Klage.

Das FG Baden-Württemberg hielt den Einspruch gegen die Kostenentscheidung für das "richtige Rechtsmittel" und verpflichtete die Familienkasse antragsgemäß, dem Kläger 1/3 der im Einspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen sowie 1/3 der Gebühren und Auslagen seines Bevollmächtigten zu erstatten (Urteil vom 26.9.2012, 7 K 470/12, Haufe-Index 6794515).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Familienkasse als unbegründet zurück. Der Kläger hatte zwar zunächst unzulässig Einspruch eingelegt, aber die Klage dann doch noch innerhalb der auf ein Jahr verlängerten Klagefrist erhoben.

 

Hinweis

1. Einspruchsführern in Kindergeldsachen werden ihre notwendigen Aufwendungen nach § 77 EStG ersetzt, soweit der Einspruch erfolgreich ist und die Aufwendungen nicht (wie z.B. bei einer Verletzung der Mitwirkungspflicht) durch ihr Verschulden oder das ihres Vertreters entstanden sind. Die Kostenentscheidung kann isoliert angefochten werden; d.h. ohne die Sachentscheidung. Der entgegenstehenden Regelung in R 7.5 Abs. 3 Satz 1 DA‐KG (Dienstanweisung zum Kindergeldgesetz nach dem EStG, BStBl I 2014, 918) tritt der BFH ausdrücklich entgegen.

2. Lehnt die Familienkasse die Kostenerstattung ganz oder teilweise nicht im Rahmen der Einspruchsentscheidung ab, sondern durch gesonderten Bescheid, so ist gegen die Ablehnung zunächst Einspruch einzulegen.

3. Ergeht die Kostenentscheidung dagegen – wie im Urteilsfall – im Rahmen der Einspruchsentscheidung, ist auch dann nur die Klage der statthafte Rechtsbehelf, wenn der Einspruchsführer die materielle Entscheidung über den Kindergeldanspruch hinnimmt und sich lediglich gegen die Kostenentscheidung wendet. Ein Wahlrecht zwischen Klage und Einspruch gegen die Kostenentscheidung besteht nicht.

Der BFH widerspricht damit der Vorinstanz und der überwiegenden Auffassung des Schrifttums, die den Einspruch für den statthaften Rechtsbehelf hält, und sich darauf beruft, dass die Kostenentscheidung trotz äußerlicher Verbindung in einem Bescheid ein eigenständiger Verwaltungsakt bleibe, der nicht Einspruchsentscheidung i.S.d. § 348 Nr. 1 AO sei.

Für den BFH war maßgeblich, dass die Kostenentscheidung in der Einspruchsentscheidung tenoriert und begründet wurde und die Kostenquote im Grundsatz vom Verhältnis des Erfolgs zum Misserfolg des Einspruchs abhängt. Die FGO enthält zwar keine dem § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 VwGO korrespondierende Vorschrift, wonach es eines außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens nicht bedarf, "wenn ... der Widerspruchbescheid erstmalig eine Beschwer enthält". Nach der BFH-Rechtsprechung hängt aber die Zulässigkeit einer Klage in Fällen, in denen die Einspruchsentscheidung eine erstmalige Beschwer für den Kläger enthält, nicht von der erfolglosen Durchführung eines Vorverfahrens ab. Zudem kann auch im Sozialrecht gegen eine im Widerspruchsbescheid enthaltene Kostenentscheidung nach § 63 SGB X sofort Klage erhoben werden.

4. Der BFH prüft von Amts wegen, ob die Voraussetzungen eines Sachurteils vorlagen. Wenn gegen die Kostenentscheidung der Einspruchsentscheidung nochmals Einspruch eingelegt wird, ist nach dessen Verwerfung die Klagefrist regelmäßig bereits verstrichen. Da die Familienkasse hier aber eine unrichtige, weil auf Bekanntgabe im Ausland zugeschnittene, Rechtsbehelfsbelehrung erteilt hatte, lief nicht die Monatsfrist des § 47 Abs. 1 FGO, sondern die Jahresfrist gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO (vgl. B...

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