Leitsatz

Bei der Anwendung des Grenzbetrags ist von den Einkünften des Kindes der Existenzsichernde Grund- und Mehraufwand (Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen) abzuziehen und vom zu versteuernden Einkommen des Kindes auszugehen.

 

Sachverhalt

Der Gesamtbetrag der Einkünfte des Kindes des Klägers belief sich entsprechend dem ESt.-Bescheid 1997 auf über 12.000 DM (Grenzbetrag). Die Familienkasse (beklagte Behörde) ging davon aus, dass der Grenzbetrag überschritten sei und hob die Kindergeldfestsetzung für das ganze Jahr 1997 auf. Den gegen den Aufhebungsbescheid eingelegten Einspruch wies die Familienkasse als unbegründet zurück.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied im Urteil des Berichterstatters, dem Kläger stehe Kindergeld für das Kind im gesamten Jahr 1997 zu. Die Bezüge des Kindes, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, überstiegen den Grenzbetrag von DM 12.000 nicht. Von den Einkünften sei der Existenzsichernde Mehraufwand (Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen), der pflichtbestimmt bzw. zwangsläufig anfalle, abzuziehen und der sich danach ergebende Betrag (zu versteuerndes Einkommen) mit dem Grenzbetrag zu vergleichen.

Im Gesetz sei zwar der Begriff "Einkünfte" aufgeführt (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG), das Gericht kommt jedoch aufgrund einer nach seiner Auffassung verfassungskonformen Auslegung der "Einkünfte-Grenzbetragsregelung" zum Ergebnis das zu versteuernde Einkommen des Kindes als Vergleichsgröße heranzuziehen. Nur eine derartige Auslegung entspräche dem Gesetzeszweck.

Die Bedürftigkeitsgrenze für Kinder sei typisierend am Betrag des steuerfreien Existenzminimums zu orientieren, der bis auf eine geringfügige Differenz mit dem Kindergeld-Grenzbetrag übereinstimme, berücksichtige sowohl Erwerbsichernde Aufwendungen (Betriebsausgaben, Werbungskosten) als auch Existenzsichernden Aufwand (Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen).Demzufolge seien die Einkünfte des Kindes um Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen zu mindern und so dem Grenzbetrag gegenüberzustellen.

 

Hinweis

Aufgrund bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind bei der Anwendung des Grenzbetrags die Einkünfte des Kindes und nicht das zu versteuernde Einkommen entscheidend (BFH, Urteil v. 21.7.2000, VI R 153/99, BStBl II 2000 S. 566 und vom 11.12.2001, VI R 16/00 siehe dazu anhängige Verfassungsbeschwerde (BVerfG, Verfahren 2 BvR 167/02).

Auch wenn dem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts darin zuzustimmen ist, der Gesetzgeber habe sich bei der Verwendung der Begriffe "Einkünfte und Bezüge, Einkommen, Einkommensgrenzbetrag, Kindeseinkommen" im Zusammenhang mit der Gesetzesbegründung zu § 32 Abs. 4 EStG nicht gerade als begriffsfest erwiesen, so ist doch davon auszugehen, dass die wörtliche Anwendung des Begriffs "Einkünfte" verfassungsrechtlichen Anforderungen stand- hält. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach betont, dem Gesetzgeber stünde bei der Regelung von Vorgängen im Massenverfahren ein weiter Entscheidungsspielraum zu.

Die noch anhängige Verfassungsbeschwerde (BVerfG, Verfahren 2 BvR 167/02) sowie das beim anhängige Revisionsverfahren (VIII R 59/03) gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts werden wohl keine hinreichenden Erfolgsaussichten haben. In Gleichgelagerten Fällen ist jedoch der Einspruch unter Bezug auf die anhängige Verfassungsbeschwerde oder das anhängige Revisionsverfahren zu empfehlen.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Urteil vom 16.04.2003, 7 K 723/98 Ki

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