Leitsatz

1. Ein Kind, das sich in einem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit befindet, wird nur dann i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet, wenn die Erlangung beruflicher Qualifikationen, d.h. der Ausbildungscharakter, und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d.h. der Erwerbscharakter, im Vordergrund des Dienstverhältnisses steht.

2. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände können für einen im Vordergrund stehenden Ausbildungscharakter u.a. das Vorhandensein eines Ausbildungsplanes, die Unterweisung in Tätigkeiten, welche qualifizierte Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern, die Erlangung eines die angestrebte Berufstätigkeit ermöglichenden Abschlusses und ein gegenüber einem normalen Arbeitsverhältnis geringeres Entgelt sprechen.

3. Für die Annahme eines Ausbildungsdienstverhältnisses i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG genügt es nicht, dass verwendungsbezogene Lehrgänge Gegenstand des Dienstverhältnisses eines Zeitsoldaten sind, wenn sie nicht zugleich auch das Ziel und den wesentlichen Inhalt des Dienstverhältnisses ausmachen.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Sätze 2 und 3 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Vater des im Februar 1990 geborenen Sohnes S, der nach einer Ausbildung zum Kaufmann zunächst in diesem Beruf tätig und ab Oktober 2009 arbeitslos war. Seit dem 1.4.2010 ist S Soldat auf Zeit. Mit Wirkung ab dem 1.9.2011 wurde er zum Unteroffizier und ab dem 1.9.2012 zum Stabsunteroffizier ernannt. Seit August 2013 ist S nach erfolgreicher Lehrgangsteilnahme als Material-Dispositions-Unteroffizier eingestellt. Er erbrachte Nachweise über Lehrgangsteilnahmen vom 5.–28.10.2011, 2.9.–2.10.2013, 2.–19.12.2013, 21.1.–21.2.2014 und vom 7.10.–7.11.2014.

Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag für den Zeitraum Januar 2012 bis Juli 2013 ab.

Die Klage, mit der geltend gemacht wurde, S habe im April 2010 eine Berufsausbildung zum Material-Dispositions-Unteroffizier begonnen, jedoch das weitergehende Ausbildungsziel verfolgt, im Sanitätsdienst als Materialdisponent eingesetzt zu werden, blieb ohne Erfolg (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.1.2015, 6 K 2227/13, Haufe-Index 7604182, EFG 2015, 575). Das FG entschied, S habe sich zwar während des gesamten Streitzeitraums in einer Ausbildung befunden, der Kindergeldanspruch sei aber wegen seiner Erwerbstätigkeit ausgeschlossen.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision zurück, weil es bereits an der Ausbildung fehlte.

 

Hinweis

1. Kinder werden u.a. berücksichtigt, wenn sie das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchent­licher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG).

2. Eine Ausbildung kann auch innerhalb eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses stattfinden. Dies setzt aber voraus, dass die Erlangung beruflicher Qualifikationen, d.h. der Ausbildungscharakter, und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d.h. der Erwerbscharakter, im Vordergrund steht. Als Kriterien, die im Rahmen einer Gesamtwürdigung für einen im Vordergrund stehenden Ausbildungscharakter sprechen können, nennt das Urteil

  • das Vorhandensein eines Ausbildungsplanes,
  • die Unterweisung in Tätigkeiten, welche qualifizierte Kenntnisse oder Fertigkeiten erfordern,
  • die Erlangung eines die angestrebte Berufstätigkeit ermöglichenden Abschlusses und
  • ein gegenüber einem normalen Arbeitsverhältnis geringeres Entgelt.

3. Der Ausbildungscharakter steht auch im Vordergrund, wenn die Voraussetzungen eines Aus­bildungsdienstverhältnisses vorliegen. Das setzt aber nicht nur ein Dienstverhältnis besonderer Art voraus, das durch den Ausbildungszweck geprägt ist, vielmehr muss die Ausbildungsmaßnahme selbst Gegenstand und Ziel des Dienstverhältnisses sein. Die vom Dienstverpflichteten geschuldete Leistung, für die er bezahlt wird, muss gerade in der Teilnahme an der Berufsausbildungsmaßnahme bestehen. Es ist mithin ausgeschlossen, wenn keine "Anwärterstellung" mehr besteht und lediglich Lehrgänge oder Kurse besucht werden, die nicht zugleich auch das Ziel und den wesentlichen Inhalt des Dienstverhältnisses ausmachen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.9.2015 – III R 6/15

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