Regel 1.1: Vorrang der Haushaltsaufnahme (Obhuts­prinzip):

Bei mehreren Berechtigten, von denen jedoch nur einer das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, ist das Kindergeld gem. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG ausschließlich an denjenigen zu zahlen, in dessen Haushalt das Kind lebt.[1]

Der Berechtigte, der das Kindergeld für sich beantragt, trägt die objektive Feststellungslast hinsichtlich der Aufnahme in seinen Haushalt.[2]

Eine abweichende zivilrechtliche Vereinbarung der Berechtigten ist wirkungslos.[3]

Das Obhutsprinzip hat insbesondere Bedeutung bei Trennung und Scheidung der leiblichen Eltern des Kindes.

Regel 1.2: Bestimmung des vorrangig Berechtigten bei gemeinsamem Haushalt

Ist ein Kind in den gemeinsamen Haushalt

  • der Eltern (auch von Adoptiveltern),
  • eines Elternteils und dessen Ehegatten bzw. dessen Lebenspartner (Stiefelternteil),
  • der Pflegeeltern oder
  • der Großeltern

aufgenommen worden, können diese Personen nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG untereinander den vorrangig Berechtigten für das Kindergeld bestimmen.

Ein Kind getrennt lebender Eltern ist dann in den Haushalt beider Elternteile aufgenommen, wenn es sich bei beiden in annähernd gleichem zeitlichem Umfang aufhält. In diesem Fall ist das Kindergeld an denjenigen zu zahlen, den die Eltern untereinander bestimmt haben. Auch eine vor der Trennung getroffene Bestimmung des Berechtigten bleibt wirksam, bis sie von einem Berechtigten widerrufen wird.[4]

Nach Ansicht des BFH[5] ist nicht entscheidend, dass dem aufnehmenden Berechtigten das Sorgerecht für das Kind zusteht.

Nach Rechtsauffassung des Thüringer Finanzgerichts ist es zulässig, dem nicht das Kindergeld beziehenden Elternteil bei einem paritätischen Wechselmodell (gleichwertige Haushaltsaufnahme) in der Günstigerprüfung die Zahlung von Kindergeld anzurechnen. Mit der Frage, ob die Regelung des § 31 Satz 4 2. Halbsatz EStG durch die Anerkennung dieses Modells insoweit überholt ist, beschäftigt sich derzeit der BFH.[6]

Lebt das Kind im Fall der Trennung der Eltern nicht mehr im Haushalt beider Elternteile, sondern nur noch bei einem Elternteil, endet damit die Möglichkeit der Berechtigtenbestimmung. Anspruch auf Festsetzung und Zahlung des Kindergelds hat danach nur noch der Elternteil, der das Kind in seinem Haushalt aufgenommen hat (= vorrangig Berechtigter). Der grundsätzliche Anspruch des anderen Elternteils wird durch den Anspruch des nunmehr vorrangig Berechtigten verdrängt. Der Anspruch auf Festsetzung und Zahlung des Kindergelds wird selbst dann verdrängt, wenn der aufnehmende Elternteil keinen Antrag auf Kindergeld gestellt hat.[7]

Die von den Eltern vor ihrer Trennung getroffene Bestimmung des Anspruchsberechtigten verliert nach der Trennung der Eltern endgültig ihre Wirkung, wenn das Kind nach der Trennung bei der Mutter lebt.[8]

Leben Eheleute trotz Trennung (im familienrechtlichen Sinn) weiterhin gemeinsam mit ihren Kindern in der bisherigen Familienwohnung zusammen, besteht die Zugehörigkeit der Kinder zum Haushalt beider Eltern grundsätzlich fort.[9] Haben die Eltern in diesem Fall vor der Trennung eine Berechtigtenbestimmung getroffen, bleibt diese bis zu ihrem Widerruf durch ein Elternteil wirksam.[10] Beide Elternteile haben danach unter sich den Berechtigten zu bestimmen. Die Haushaltszugehörigkeit zu beiden Elternteilen ist nur dann als aufgelöst anzusehen, wenn besondere Umstände vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass ein Elternteil sich gänzlich seiner Verantwortung gegenüber seinen Kindern entzogen hat.[11] In diesem Fall endet mit der Trennung die Haushaltszugehörigkeit der Kinder bei demjenigen Elternteil, der sich nicht mehr um sie kümmert.

Regel 1.3: Vorrangverzicht zugunsten der Großeltern

Lebt das Kind im gemeinsamen Haushalt eines Elternteils und der Großeltern, wird das Kindergeld vorrangig dem Elternteil gezahlt. Der Elternteil kann schriftlich gegenüber der Familienkasse auf seinen Vorrang zugunsten der Großeltern verzichten.[12] Auf die Höhe der jeweiligen Kostenbeiträge zum gemeinsamen Haushalt kommt es nicht an.[13] Die Großeltern wiederum haben unter sich zu bestimmen, wer das Kindergeld erhält.[14]

Regel 1.4: Bestimmung des Berechtigten durch das Familiengericht

Bestimmen die in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Berechtigten den Zahlungsempfänger nicht unter sich bzw. können sie sich nicht einigen, kann diejenige Person, die ein berechtigtes Interesse an der Zahlung des Kindergelds hat, den Antrag auf Bestimmung als Berechtigter beim Amtsgericht als Familiengericht stellen.[15]

Das Familiengericht bestimmt auf Antrag den Berechtigten auch dann, wenn das Kind nach der Trennung der Eltern in den Haushalt jeden Elternteils (bei gleichem zeitlichen Umfang) aufgenommen ist und beide Elternteile sorgeberechtigt sind, aber keine Berechtigtenbestimmung getroffen wurde.[16]

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