Begriff der Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG:

Der Begriff "Berufsausbildung", deren erstmaliger Abschluss in Verbindung mit einer schädlichen Erwerbstätigkeit den Kindergeldanspruch ausschließt, ist enger gefasst, als das Tatbestandsmerkmal "für einen Beruf ausgebildet" nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a EStG. Nicht jede allgemein berufsqualifizierende Maßnahme ist gleichzeitig eine Berufsausbildung i. S. v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Auch nach Abschluss einer derartigen Maßnahme (z. B. der Erwerb eines Schulabschlusses, ein freiwilliges Berufspraktikum) ist, wenn die besonderen Berücksichtigungsgründe vorliegen, jegliche Erwerbstätigkeit unschädlich.[2]

 
Praxis-Beispiel

Erwerbstätigkeit zwischen Praktikum und Studium

Sandra (20 Jahre) absolviert nach dem Abitur ein berufsvorbereitendes Praktikum. Nach dem Ende des Praktikums kann sie nicht unmittelbar das Studium aufnehmen. Zur Überbrückung des 2-monatigen Zeitraums zwischen Praktikum und Studienbeginn übt sie eine Erwerbstätigkeit mit wöchentlich 30 Stunden aus.

Besteht während der Übergangszeit Kindergeldanspruch?

Lösung:

Für Sandra besteht während der 2-monatigen Übergangszeit zwischen Praktikum und Studienbeginn Anspruch auf Kindergeld. Das Praktikum zählt zwar zur Berufsausbildung i. S. d. weiter gefassten Satzes 1 von § 32 Abs. 4 EStG, es stellt jedoch keine Berufsausbildung i. S. d. enger gefassten Satzes 2 dar. Eine über regelmäßig 20 Wochenstunden hinausgehende Erwerbstätigkeit ist daher unschädlich.

Berufsausbildung i. S. v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG liegt vor, wenn das Kind durch eine berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Kenntnisse bzw. Fertigkeiten erwirbt, die zur Ausübung des Berufs befähigen. Dies ist der Fall, wenn der Beruf in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsgang erlernt und der Ausbildungsgang durch eine Prüfung abgeschlossen wird. Der erfolgreiche Abschluss der Prüfung muss Voraussetzung für die Aufnahme der Tätigkeit sein.[3]

Zur Berufsausbildung i. S. v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zählen danach insbesondere[4]:

  • Berufsausbildungsverhältnisse nach dem Berufsbildungsgesetz,
  • die Ausbildung aufgrund der bundes- oder landesrechtlichen Ausbildungsregelungen für Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen,
  • landesrechtlich geregelte Berufsabschlüsse an Berufsfachschulen,
  • die Berufsausbildung behinderter Menschen in anerkannten Ausbildungsberufen oder aufgrund von Regelungen in besonderen "Behinderten-Ausbildungsberufen",
  • Maßnahmen zur Behebung von amtlich festgestellten Unterschieden zwischen einem im Ausland erworbenen Berufsabschluss und einem entsprechenden im Inland geregelten Berufsabschluss (z. B. Anpassungslehrgänge).

Erstmalige Berufsausbildung[5]:

Eine Berufsausbildung als Erstausbildung nach § 9 Abs. 6 Satz 2 EStG liegt vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird.[6]

Eine Erstausbildung ist gegeben, wenn ihr keine andere abgeschlossene Berufsausbildung vorausgegangen ist. Eine erstmalige Berufsausbildung ist abgeschlossen, wenn sie zur Ausübung des betreffenden Berufs befähigt. Dies gilt auch, wenn sich darauf aufbauend eine weitere Ausbildung anschließt, z. B. die Meisterausbildung nach abgeschlossener Gesellenprüfung.

Der Tatbestand "Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung" ist nicht zwingend stets bereits mit dem ersten, objektiv berufsqualifizierenden Abschluss (z. B. einem Berufsabschluss in einem Ausbildungsberuf) erfüllt. Mehr­aktige Ausbildungsmaßnahmen[7] sind vielmehr Teil einer einheitlichen Erstausbildung und keine Zweitausbildung, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann. Voraussetzung ist dabei, dass die weiterführende Ausbildung in einem engen sachlichen Zusammenhang und im engen zeitlichen Zusammenhang mit der ersten Bildungsmaßnahme absolviert wird. Der enge zeitliche Zusammenhang erfordert, dass die weiterführende Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt begonnen wird (Beispiele aus der Rechtsprechung: Techniker- oder Ingenieurstudium nach erfolgreicher Ablegung der Gesellenprüfung[8], Studium zum "Bachelor of Science Physiotherapie" einer ausgebildeten Physiotherapeutin[9] oder IHK-Lehrgang "Geprüfte Immobilienfachwirtin" einer Immobilienkauffrau[10]; verneinend "Staatlich geprüfter Betriebswirt" einer Steuerfachangestellten[11]).

Der Freiwilligendienst im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes ist genauso wenig eine Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wie eine im Rahmen des Freiwilligendienstes absolvierte, nur knapp 6 Monate dauernde Qualifikation zum Rettungssanitäter gem. der Bayerischen Rettungssanitäterverordnung, da die Erlangung sozialer Erfahrungen im Vordergrund steht.[12]

Zur Frage, ob die weitere Ausbildung Teil einer mehraktigen Erstausbildung ist oder eine eigenständig...

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