Nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. c EStG wird ein Kind bis zum 25. Lebensjahr auch berücksichtigt, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder nicht fortsetzen kann. Voraussetzung für die Berücksichtigung als Kind wegen eines fehlenden Ausbildungsplatzes ist, dass die Suche nach einem Ausbildungsplatz zum nächstmöglichen Beginn trotz ernsthafter Bemühungen ohne Erfolg geblieben ist oder der bereits feststehende Beginn der Berufsausbildung außerhalb der 4-monatigen Übergangszeit zwischen 2 Ausbildungsabschnitten liegt.

Ein Kind ist nicht nur dann für das Kindergeld zu berücksichtigen, wenn es noch keinen Ausbildungsplatz gefunden hat, sondern auch dann, wenn ihm ein Ausbildungsplatz zwar bereits zugesagt wurde, es diesen aber aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten kann.[1]

Unter dem Beginn der Berufsausbildung ist die Aufnahme einer weiteren Ausbildung oder eines weiteren Ausbildungsabschnitts zu verstehen. Ein über 18 Jahre altes Kind hat stets bereits eine Schulausbildung absolviert, die auch unter den steuerlichen Begriff der Berufsausbildung fällt.

Die Fortsetzung einer Berufsausbildung ist dann nicht möglich, wenn die begonnene Ausbildung abgebrochen wurde. Aus welchen Gründen die Unterbrechung bzw. der Abbruch der vorhergehenden Berufsausbildung erfolgte, ist unerheblich.

Entscheidend ist, dass das Kind trotz ernsthafter Bemühungen keinen Ausbildungsplatz erhält und deshalb die Berufsausbildung nicht beginnen oder fortsetzen kann.[2]

Die ernsthaften Bemühungen um einen Ausbildungsplatz müssen nicht durch das Kind selbst erfolgen, sie können auch von den Eltern des Kindes getätigt werden.[3]

Das ernsthafte Bemühen entfällt nicht rückwirkend, wenn die Beratung der Agentur für Arbeit ergibt, dass das Kind nicht ausbildungsgeeignet ist.[4]

An dem ernsthaften Bemühen um einen Ausbildungsplatz fehlt es, wenn das Kind sich für einen Ausbildungsplatz bewirbt, für den es die objektiven Anforderungen (Zulassungsvoraussetzungen) nicht erfüllt.[5]

Kann das Kind einen Ausbildungsplatz bereits deshalb nicht antreten, weil dem ausländerrechtliche Vorgaben entgegenstehen, scheidet die Berücksichtigung wegen fehlenden Ausbildungsplatzes aus.[6]

 
Praxis-Beispiel

Abbruch der Berufsausbildung

Florian (19 Jahre) bricht Mitte April 2023 seine Berufsausbildung zum Lackierer ab.

Ab Mai 2023 bemüht er sich ernsthaft um einen neuen Ausbildungsplatz zum Friseur. Im Juli 2023 erhält er die Zusage für einen Ausbildungsplatz und schließt am 12.8.2023 einen Ausbildungsvertrag ab 1.9.2023 ab.

Inwieweit ist Florian zu berücksichtigen?

Lösung:

Florian ist bis einschließlich April wegen Berufsausbildung zu berücksichtigen. Nach dem Abbruch der Berufsausbildung bemüht er sich ab Mai 2023 ernsthaft um einen neuen Ausbildungsplatz. Er ist daher von Mai bis August 2023 auch als Kind zu berücksichtigen, da er mangels Ausbildungsplatzes in dieser Zeit seine Berufsausbildung nicht fortsetzen kann. Die Gründe für den Abbruch der Lackiererausbildung spielen keine Rolle.

Florian erhält schließlich ab September einen Ausbildungsplatz. Er ist demzufolge im gesamten Kalenderjahr zu berücksichtigen.

Für die Berücksichtigung eines Kindes, das wegen fehlenden Ausbildungsplatzes seine Berufsausbildung entweder nicht beginnen oder nicht fortsetzen kann, ist es unerheblich, ob die angestrebte Berufsausbildung im Inland oder im Ausland aufgenommen werden soll.

Die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres ist grundsätzlich keine Berufsausbildung i. S. d. Vorschrift, da es i. d. R. nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf dient, sondern der Erlangung sozialer Erfahrungen und der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl.[7] Eine Ausnahme soll gelten, wenn der freiwillige Dienst der Vorbereitung auf ein konkretes Berufsziel dient (z. B. für den Beruf des Sozialarbeiters).[8] Eine analoge Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG kommt auch nicht für Fälle in Betracht, in denen ein freiwilliges soziales Jahr aufgrund der Corona-Pandemie nicht begonnen werden kann (und dadurch die Übergangszeit von höchstens 4 Monaten überschritten wird).[9]

Die Suche des Kindes nach einem Ausbildungsplatz muss erfolglos verlaufen sein oder der bereits feststehende Beginn der Berufsausbildung muss außerhalb der Übergangszeit von höchstens 4 Kalendermonaten liegen.

Eine Ausbildung wird nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt angestrebt, wenn das Kind aus von ihm zu vertretenden Gründen (z. B. wegen einer Erwerbstätigkeit oder der Ableistung eines freiwilligen Wehrdienstes) die Ausbildung erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen möchte.[10]

Die Berücksichtigung eines Kindes wegen einer Übergangszeit zwischen 2 Ausbildungsabschnitten von höchstens 4 Monaten und die Berücksichtigung wegen fehlenden Ausbildungsplatzes schließen sich gegenseitig aus.[11] Ein Kind kann nach dem Ende der vorhergehenden Berufsausbildung bzw. des vorhergehenden Ausbildungsabschnitts u...

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