4.1 Vorbemerkung

Über den Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG (= Kinderfreibetrag und Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf) im ESt-Bescheid wird letztlich nach dem Ergebnis der Vergleichsrechnung, die für jedes Kind getrennt durchzuführen ist, entschieden. Der Kinderfreibetrag/Bedarfsfreibetrag ist danach abzuziehen, wenn die ESt-Entlastung durch Abzug des Kinderfreibetrags/Bedarfsfreibetrags für jedes einzelne Kind höher ist als der Anspruch auf Kindergeld bzw. der Anspruch auf vergleichbare andere Leistungen für Kinder nach § 65 EStG (z. B. ausländisches Kindergeld) im gesamten Veranlagungszeitraum.[1] Zu beachten ist, dass grundsätzlich der jeweilige Anspruch auf Kindergeld usw. angesetzt wird und nicht die tatsächlich ausgezahlten Beträge.[2] Die ESt-Entlastung aus dem Abzug des vollen Kinderfreibetrags/Bedarfsfreibetrags ist dem vollen Anspruch auf Kindergeld, die ESt-Entlastung aus dem Abzug des 1/2 Kinderfreibetrags/Bedarfsfreibetrags ist der Hälfte des Anspruchs auf Kindergeld gegenüberzustellen.[3] Maßgebend ist jeweils der Anspruch für den gesamten Veranlagungszeitraum.

4.2 Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG

 
Veranlagungs­zeitraum Alleinstehende Ehe­gatten
  ohne Über­tragung Übertragung Bedarfsfreibetrag  
  EUR EUR EUR
Kinderfreibetrag: 2021 2.730 2.730 5.460
Bedarfsfreibetrag: 2021 1.464 2.928 2.928
Summe 2021 4.194 5.658 8.388
Kinderfreibetrag: 2022 2.810 2.810 5.620
Bedarfsfreibetrag: 2022 1.464 2.928 2.928
Summe 2022 4.274 5.738 8.548
Kinderfreibetrag: 2023 3.012 3.012 6.024
Bedarfsfreibetrag: 2023 1.464 2.928 2.928
Summe 2023 4.476 5.940 8.952
Kinderfreibetrag: 2024 3.192 3.192 6.384
Bedarfsfreibetrag: 2024 1.464 2.928 2.928
Summe 2024 4.656 6.120 9.312
 
Veranlagungszeitraum Monatsbetrag Kinderfreibetrag Monatsbetrag Bedarfsfreibetrag
  je Elternteil für zusammenveranlagte Ehegatten je Elternteil für zusammenveranlagte Ehegatten
  EUR EUR EUR EUR
2022 234 468 122 244
2023 251 502 122 244
2024 266 532 122 244

4.3 Voller Kinderfreibetrag

Der volle (= verdoppelte) Kinderfreibetrag i. H. v. 6.024 EUR (VZ 2023) wird bei Ehegatten abgezogen, die nach § 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Voraussetzung ist, dass das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis i. S. d. § 32 Abs. 1 EStG steht. Dies muss nicht zwangsläufig dasselbe Kindschaftsverhältnis zu beiden Ehegatten sein. Bei der Adoption eines Stiefkindes innerhalb einer Lebenspartnerschaft (das leibliche Kind eines Lebenspartners hat der andere Lebenspartner adoptiert) erhalten die Lebenspartner im Fall der Zusammenveranlagung den vollen Kinderfreibetrag.[1]

Der volle Kinderfreibetrag i. H. v. jährlich 6.024 EUR (VZ 2023) wird auch bei einem Elternteil abgezogen, wenn der andere Elternteil

  • verstorben oder
  • nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, d. h. seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat.[2]

Nach Ansicht des BFH[3] ist zwingend der volle Kinderfreibetrag zu berücksichtigen.

Beschränkt Steuerpflichtige, die nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt Steuerpflichtige behandelt werden (fiktive unbeschränkte Steuerpflicht), die jedoch nicht die Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG (nur: EU-/EWR-Familienangehörige) erfüllen, können daher auch den vollen Kinderfreibetrag für jedes zu berücksichtigende Kind erhalten.

Ein Steuerpflichtiger bzw. die Mutter des Kindes erhält auch dann den vollen Kinderfreibetrag[4], wenn

  • der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des anderen Elternteils nicht zu ermitteln ist oder
  • der Vater des Kindes amtlich nicht feststellbar ist.

Den vollen Kinderfreibetrag erhält ein Steuerpflichtiger ebenfalls, wenn

  • er das Kind allein angenommen hat oder
  • das Kind ausschließlich zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.[5]

Es besteht kein Wahlrecht, nur den halben Kinderfreibetrag zu berücksichtigen.[6]

Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für den vollen Kinderfreibetrag nicht mindestens an einem Tag vorliegen, ermäßigt er sich um 1/12.[7]

Bei Abzug des vollen Kinderfreibetrags ist stets der volle Anspruch auf Kindergeld oder der volle Anspruch auf andere, dem Kindergeld vergleichbare Leistungen (z. B. ausländisches Kindergeld; s. Übersicht der vergleichbaren Leistungen nach § 65 EStG[8]) der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen. Es wird grundsätzlich der Anspruch und nicht der tatsächliche Zahlungsbetrag angesetzt.[9] Maßgebend ist dabei der Anspruch für den gesamten Veranlagungszeitraum.[10]

Kommt der zum Barunterhalt verpflichtete Elternteil seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht nach oder ist dieser Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig und wird deshalb auf Antrag des anderen – betreuenden – Elternteils der halbe Kinderfreibetrag auf diesen übertragen, ist bei der Vergleichsrechnung (Günstigerprüfung) der volle Kindergeldanspruch des betreuenden Elternteils zu berücksichtigen.[11] Die Hinzure...

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