4.2.1 Ermittlung und allgemeine Interpretation

Die Kapitalflussrechnung (Cashflow Statement) stellt Herkunft und Verwendung verschiedener liquiditätsrelevanter Mittel dar. Sie gibt als zusammengefasster Bericht finanzieller Umsätze und Transaktionen die wichtigsten Investitions- und Finanzierungsvorgänge im kurz- und langfristigen Bereich wieder. Wo keine Kapitalflussrechnung zur Verfügung steht, kann man mit den Informationen aus Bilanz und GuV eine grobe Rechnung anstellen (vgl. Abb. 8).

Indirekte Ermittlung des Cashflow

Der Cashflow ist definiert als Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben (direkte Methode). Bei der indirekten Methode geht man vom Ergebnis der Geschäftstätigkeit (Summe aus Betriebsergebnis und Finanzergebnis) aus und kommt über die Berücksichtigung der nicht ausgabewirksamen Aufwendungen und der nicht einnahmewirksamen Erträge zum Cashflow.

 
Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT)
± Verlust/Gewinn aus Abgang von Anlagevermögen
± Abschreibungen/Zuschreibungen auf Vermögensgegenstände des Investitionsber.
± Sonstige zahlungsunwirksame Aufwendungen/Erträge
± Abnahme/Zunahme Umlaufvermögen (Vorräte, Forderungen LL, …)
± Zunahme/Abnahme Rückstellungen
± Zunahme/Abnahme Verbindlichkeiten LL
= Netto Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit
± Nettogeldfluss aus außerordentlichen Posten
± Zahlungen von Ertragsteuern
= A. Operativer Cashflow
   
  Ein-/Auszahlungen aus dem Abgang von Anlagevermögen
= B. Netto Cashflow aus Investitionstätigkeit
   
Summe (A+B) = Free Cashflow
   
  Ein-/Rückzahlungen von Eigenkapitel
Auszahlungen aus der Bedienung von Eigenkapital (Gewinnausschüttung)
+ Einzahlungen aus der Aufnahme von Fremdkapital (Anleihen, Kredite)
Auszahlungen für die Tilgung von Fremdkapital
= C. Netto Cashflow aus Finanzierungstätigkeit
   
Summe (A+B+C) = Veränderung der liquiden Mittel

Abb. 8: Indirekte Cashflow Berechnung

Die Kennzahl Operativer Cashflow zu Kurzfristiges Fremdkapital (vgl. Abb. 14) ist zeitraumbezogen: Im Zähler steht der Operative Cashflow des Geschäftsjahres, im Nenner das durchschnittlich gebundene kurzfristige Fremdkapital.

Self-Sufficiency Ratio

Im Englischen wird diese Kennzahl als Self-Sufficiency Ratio bezeichnet, also als Selbstgenügsamkeits- oder auch Unabhängigkeitskennzahl. Ein Wert unter 1 bedeutet, dass das Unternehmen die laufenden Verbindlichkeiten nicht aus dem operativen Cashflow bedienen kann. Das bedeutet, dass die dafür nötigen Mittel entweder aus dem Verkauf von Anlagevermögen oder aus der Aufnahme von neuem Eigen- oder Fremdkapital kommen müssen. Allerdings ist auch diese Kennzahl, trotz Einbeziehung des Cashflow, nicht von der Problematik der Anomalie der Jahresendwerte in der Bilanz befreit. In vielen Unternehmen steigen gerade in der Weihnachtszeit die Verbindlichkeiten, das gilt vor allem für den Einzelhandel. Darüber hinaus kann ein niedriger Wert auch ein Hinweis auf die Verhandlungsmacht des Unternehmens gegenüber Lieferanten sein. Als großer Kunde kriegt man lange Zahlungsziele, dementsprechend hoch sind die Lieferverbindlichkeiten.

 
Self Sufficiency Ratio
(Unabhängigkeits-Kennz.)
= Operativer Cashflow
kurzfristiges Fremdkapital

4.2.2 Anwendung auf die Fallstudien

In den 4 Beispielunternehmen kann der Cashflow nur annähernd berechnet werden. Der operative Cashflow wird als "Gewinn plus Abschreibungen" errechnet, der Free Cashflow als "operativer Cashflow minus Investitionen". Beim Konsumgüterproduzenten ist der Free Cashflow negativ. Grund dafür ist die außerordentlich hohe Investitionsquote in diesem Jahr. Der negative Free Cashflow muss durch Finanzierungsmaßnahmen ausgeglichen worden sein.

Auffällig ist, dass bei der Supermarktkette die Investitionen deutlich geringer sind als die Abschreibungen. Man könnte dieses Unternehmen als "Investitionsverweigerer" bezeichnen.

Die Self-Sufficiency Ratio liegt bei drei Unternehmen unter 1. Bei der Supermarktkette und beim Konsumgüterproduzenten könnte das auf die Verhandlungsmacht zurückzuführen sein, wenn es sich um starke Marken handelt. Im Projektgeschäft (z. B. Anlagenbau) ist eine Beurteilung schwierig, da die Lieferverbindlichkeiten ebenso wie die anderen kurzfristigen Verbindlichkeiten wegen des unregelmäßigen Auftragseingangs stark schwanken.

Die unbefriedigende Situation, dass das kurzfristige Risiko nur sehr eingeschränkt analysierbar ist, ist typisch für die Jahresabschlussanalyse.

 
Cashflow-Berechnung (in Mio.) Supermarktkette Anlagenbauer Konsumgüterproduzent Softwareunternehmen
Operativer Cashflow 9,45 13,54 11,73 28,86
Free Cashflow 5,95 9,54 –0,07 20,86
Self-Sufficiency Ratio 24,6 % 52,9 % 33,0 % 236,6 %

Abb. 9: Cashflow-Analyse der 4 Fallstudien (vereinfachte Rechnung)

Working-Capital-orientierte Kennzahlen (Umschlagskennzahlen)

Der Begriff "Working Capital" bezeichnet die Differenz zwischen Umlaufvermögen, das nicht Cash ist (also Vorräte und Forderungen) und kurzfristigen Verbindlichkeiten.

 
  Vorräte
+ Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
-- ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
= Working Capit...

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