Leitsatz

Ist eine Personengesellschaft atypisch still an einer Kapitalgesellschaft beteiligt, dürfen die Feststellungen der Einkünfte aus der Personengesellschaft und aus der atypisch stillen Gesellschaft nicht in einem einheitlichen Feststellungsbescheid getroffen werden.

 

Normenkette

§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 179 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 2 und 3, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 181 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 182 Abs. 1 Satz 1, § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Ein Fonds in der Rechtsform einer GbR hatte sich 1996 als atypisch stiller Gesellschafter an einer GmbH beteiligt, die in den Jahren 1996 und 1997 erhebliche Verluste erzielte. Das FA erließ Einkünftefeststellungsbescheide für die GmbH & Still und erfasste darin als Feststellungsbeteiligte zugleich die Gesellschafter der GbR.

Nachdem das FA später davon erfahren hatte, dass Gesellschaftern der GbR von den Fondsinitiatoren (einer von ihnen der Steuerberater der Gesellschaften) unter bestimmten Bedingungen ein bindendes Rückkaufangebot zum Nominalpreis gemacht worden war, hielt es einige dieser Gesellschafter nicht mehr für Mitunternehmer. Im Jahr 2005 ergingen entsprechend geänderte und wiederum zusammengefasste Feststellungsbescheide. Weil die reguläre Feststellungsfrist bereits abgelaufen war, berief sich das FA auf eine Frist von 10 Jahren. Denn der Steuerberater habe zugunsten der Gesellschafter eine Steuerhinterziehung begangen, indem er das Rückkaufangebot nicht offengelegt habe.

Im Einspruchsverfahren hielt das FA seine Auffassung nur noch für zwei Gesellschafter aufrecht. Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab (FG München, Urteil vom 25.2.2011, 8 K 1832/07, Haufe-Index 3570505, EFG 2013, 348).

 

Entscheidung

Die Revision der Gesellschafter hatte Erfolg. Der BFH hob die geänderten Feststellungsbescheide schon aus formalen Gründen auf. Denn es sei nicht zulässig, die Feststellungen für die GmbH & Still und für die GbR zusammenzufassen. Außerdem sei die Feststellungsfrist abgelaufen, weil eine Steuerhinterziehung nicht vorliege. Das Rückkaufangebot habe in der Feststellungserklärung nicht erwähnt werden müssen, weil es keine Auswirkung auf die Mitunternehmerstellung besitze.

 

Hinweis

1. Neben der im Leitsatz genannten formellen Frage nach der Zusammenfassung von Feststellungen bei einer doppelstöckigen Personengesellschaft (hierzu unter 2.) betrifft das Urteil auch eine materielle Frage, nämlich die Bedeutung eines Kaufangebots für die Mitunternehmerstellung (hierzu unter 3).

2. Das Verfahren zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften nach § 179, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO dient dazu, gemeinschaftlich erzielte Einkünfte in einem einheitlichen und für die ESt bzw. KSt der Beteiligten bindenden Verfahren zu ermitteln und zu verteilen. Dabei ist für jede Gemeinschaft oder Gesellschaft ein eigenständiges Ver­fahren durchzuführen. Das betrifft auch mehrstöckig gestufte Personengesellschaften. Die Verfahren bauen dann aufeinander auf: Zunächst werden die Einkünfte der Untergesellschaft festgestellt und dabei der Obergesellschaft die auf sie entfallenden Einkünfte zugerechnet. Anschließend werden die Einkünfte der Obergesellschaft unter Einschluss der von der Untergesellschaft bezogenen Einkünfte festgestellt und auf die Gesellschafter der Obergesellschaft verteilt.

Eine Vermischung der Verfahren ist grundsätzlich unzulässig. Allerdings lässt § 179 Abs. 2 Satz 3 AO eine Ausnahme zu, wenn Personen an dem Gegenstand der Feststellung über eine andere Person beteiligt sind. Gemeint sind damit mittelbare Beteiligungen, wie etwa die Unterbeteiligung an einem Personengesellschaftsanteil. Unter der weiteren Voraussetzung, dass alle Beteiligten damit einverstanden sind, wird der mittelbar Beteiligte dann in das Feststellungsverfahren einbezogen, in dem der Anteil der Einkünfte des Hauptbeteiligten festgestellt wird.

3. Materiell ging es in dem Urteilsfall um die Frage, ob einem voll haftenden Personengesellschafter das Mitunternehmerrisiko fehlt, wenn er den von ihm erworbenen Gesellschaftsanteil gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben kann. Nach Meinung des BFH bleibt durch eine solche Verkaufsoption das Mitunternehmerrisiko unberührt, denn die Haftung im Außenverhältnis bleibt ebenso bestehen wie die Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie den stillen Reserven in der Zeit bis zur Ausübung der Option.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 21.10.2015 – IV R 43/12

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