Leitsatz

Prozesszinsen können nur dann geltend gemacht werden, wenn der Steuerpflichtige den Prozess selbst führt. Die Verzinsung von Steuererstattungen kommt nur für die im Gesetz benannten Steuern in Betracht.

 

Sachverhalt

Die Klägerin legte gegen eine Steueranmeldung gegenüber dem zuständigem Hauptzollamt Einspruch ein, nachdem die entsprechende Steuer bezahlt worden war. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die entsprechende Steuer für verfassungswidrig erklärt hatte, erstattete das Hauptzollamt die Steuer. Nunmehr begehrte die Klägerin Verzinsung (Prozesszinsen) der zunächst entrichteten Steuer. Begründet wurde dies damit, dass es zu einer Klage vor dem Finanzgericht nur deshalb nicht gekommen sei, weil das Zollamt der Sprungklage nicht zugestimmt habe. Die Verzinsung wurde durch das Zollamt abgelehnt. Auch das Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg, so dass sich die Klägerin an das zuständige FG Hamburg wandte.

 

Entscheidung

Auch die zulässige Verpflichtungsklage bleib indes erfolglos. Für eine Verzinsung der zunächst gezahlten Steuer bestand nach Ansicht des Finanzgerichts keine Anspruchsgrundlage. § 236 AO, der die Verzinsung von Ansprüchen während einer Rechtshängigkeit betrifft, sei deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin das maßgebliche Klageverfahren nicht geführt habe. Es sei aber Voraussetzung des § 236 AO, dass der zu verzinsende Erstattungsanspruch vom Steuerpflichtigen selbst rechtshängig gemacht worden sei. Eine analoge Anwendung des § 236 AO komme mangels einer planwidrigen Lücke im Gesetz nicht in Betracht. Eine Verzinsung nach § 233a AO sei deshalb ausgeschlossen, weil das Gesetz diese Art der Verzinsung nur für abschließend in der Norm genannte Steuern vorsehe. Die hier strittige Steuer sei nicht aufgeführt. Auch hinsichtlich des § 233a AO komme eine analoge Anwendung nicht in Betracht.

 

Hinweis

Die Entscheidung des FG Hamburg dürfte für die Klägerin unbefriedigend gewesen sein, sie ist jedoch nicht überraschend und wohl auch als zutreffend anzusehen. Prozesszinsen nach § 236 AO können nur dann geltend gemacht werden, wenn der Steuerpflichtige den Prozess selbst geführt hat. Dies war hier aber nicht der Fall, auch wenn die Klägerin geltend gemacht hat, dies sei nur am Zollamt gescheitert. Die Voraussetzungen des § 236 AO liegen aber in jedem Fall nicht vor (vgl. auch Schwarz, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 236 AO Rz. 4; Rüsken, in Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 236 AO Rz. 15). Eine Verzinsung nach § 233a AO scheitert daran, dass der Gesetzgeber abschließend normiert hat, welche Steuerarten der sog. Vollverzinsung nach dieser Norm unterliegen. Verbrauchsteuern und Zölle sind dort nicht genannt, so dass auch insofern eine Verzinsung nicht in Betracht kommt (siehe auch Rüsken, in Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 233a AO Rz. 6ff m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH). Eine analoge Anwendung der Bestimmungen zur Verzinsung hat das FG wohl deshalb zutreffend verneint, weil dem Gesetzgeber bewusst war, dass in einem Sachverhalt wie dem hier entschiedenen keine Verzinsung erfolgen soll. Wenn aber vom Gesetzgeber nicht versehentlich etwas im Rahmen der Gesetzesformulierung übersehen wurde, kommt eine Analogie nicht in Frage. Unabhängig hiervon stellt sich die Frage, ob die aktuelle Gesetzesfassung befriedigend ist. Richtig wäre es wohl, die Anwendung des § 233a AO auf alle Steuern - auch Zölle und Verbrauchsteuern - auszuweiten, da kein sinnvoller Grund ersichtlich ist, nur bestimmte Steuern zu verzinsen. Der Klägerin wäre freilich damit nicht mehr geholfen.

Die Entscheidung ist vorläufig nicht rechtskräftig, da Nichtzulassungsbeschwerde zum BFH eingelegt wurde. Das Aktenzeichen ist VII B 40/19.

 

Link zur Entscheidung

FG Hamburg, Urteil vom 22.02.2019, 4 K 123/18

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