Leitsatz

Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Normenkette

Art. 3 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 GG, § 3 Nr. 12; § 9 Abs. 1, § 9a S. 1 Nr. 1 EStG, § 12 AbgG

 

Sachverhalt

Steuerpflichtige hatten Verfassungsbeschwerden erhoben gegen die Urteile des BFH vom 11.09.2008, VI R 13/06 (BFH/NV 2008, 1933, BFH/PR 2008, 508) und VI R 63/04 (BFH/NV 2008, 2018). Dort hatte es der BFH abgelehnt, dass die Steuerpflichtigen unter Berufung auf den Gleichheitssatz statt ihrer konkreten Werbungskosten rund 1/3 der von ihnen erzielten Einnahmen als Werbungskosten abziehen dürften, um so wie Bundestagsabgeordnete behandelt zu werden, die jeweils eine steuerfreie Kostenpauschale von 3 782 EUR monatlich erhalten.

 

Entscheidung

Das BVerfG nahm aus den unter Praxishinweisen dargestellten Gründen die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung an.

 

Hinweis

Beachtenswert ist, dass das BVerfG – nicht der Zweite Senat insgesamt, sondern seine 1. Kammer – die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde nicht auf formale Gründe stützte, sondern in der Sache entschied. Denn das BVerfG maß dem Vorbringen der Steuerpflichtigen, die Steuerbefreiung der Abgeordnetenpauschale verletze sie in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG, keine hinreichenden Erfolgsaussichten bei: Die steuerliche Berücksichtigung der Aufwandsentschädigung eines Abgeordneten in Form der Steuerbefreiung sei im Vergleich zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung der Erwerbsaufwendungen bei Lohneinkünften sachlich gerechtfertigt.

Das BVerfG stützt das auf seine zum Gleichheitssatz immer wieder verwendete Kernformel, dass Art. 3 Abs. 1 GG gebiete, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, dass dies für ungleiche Belastungen und Begünstigungen gleichermaßen gelte, dass aus Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aber unterschiedliche, vom bloßen Willkürverbot bis zur strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichende Grenzen folgten und sich die Voraussetzungen, unter denen der Gleichheitssatz verletzt werde, letztlich nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen lasse.

1. Die Tätigkeit der Abgeordneten einerseits und die der Arbeitnehmer andererseits beurteilte das BVerfG nicht als gleich i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG. Mit der besonderen Stellung des Abgeordnetenmandats schuldet der Abgeordnete keine Dienste, sondern nimmt grundsätzlich frei und allein dem Wähler gegenüber sein Mandat wahr. Frei ist er auch in der Entscheidung, welche Kosten er dabei auf sich nimmt. Das BVerfG sieht in der Abgeordnetenpauschale einen pauschalierten Auslagenersatz für Kosten, deren tatsächlicher Anfall vermutet wird, keine Werbungskostenpauschale.

2. Soweit die Steuerpflichtigen rügten, die Höhe der Abgeordnetenentschädigung gehe weit über die Werbungskostenpauschale hinaus, verneinte das BVerfG schon deren Rechtsschutzinteresse, weil selbst bei Verfassungswidrigkeit der Abge­ordnetenentschädigung unter keinem rechtlichen ­Gesichtspunkt denkbar sei, dass die Beschwerdeführer ihre Rechtsposition verbessern könnten. Das BVerfG nahm insoweit auf seine neue Rechtsprechung zu steuerlichen Begünstigungen bestimmter Personen oder Gruppen Bezug (Beschluss vom 17.04.2008, 2 BvL 4/05, BFH/NV Beilage 2008, 295); es hatte dort das aus Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG (…Gesetz, auf dessen Gültigkeit es … ankommt) folgendes Merkmal der "Entscheidungserheblichkeit" präzisiert. Auf dieser Grundlage bestätigte es hier für die Abgeordnetenpauschale die Einschätzung des BFH. Der hatte es unter Bezugnahme darauf ausgeschlossen, dass den Beschwerdeführern die Steuerfreiheit gewährt werden könnte, selbst wenn die Abgeordnetenpauschale der Höhe nach verfassungswidrig wäre.

 

Link zur Entscheidung

BVerfG, Beschluss vom 26.07.2010 – 2 BvR 2227/08, 2 BvR 2228/08

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