Leitsatz

1. Auch sog. qualifizierte Prüfungshandlungen, die nur ein Prüfungsjahr betreffen, führen dazu, dass die Außenprüfung insgesamt – also auch bezogen auf andere Prüfungsjahre – als nicht unmittelbar nach dem Prüfungsbeginn unterbrochen i.S. des § 171 Abs. 4 Satz 2 AO gilt.

2. Die Entgegennahme von Buchführungsdaten am Prüfungsort ist eine vom Prüfer veranlasste und damit für den Steuerpflichtigen erkennbar auf die Ermittlung des Steuerfalls gerichtete Handlung, die dem von der Rechtsprechung als qualifizierte Prüfungshandlung anerkannten Verlangen nach der Übergabe von Belegen und Unterlagen gleichsteht.

3. Wurden Buchführungsdaten vor ihrem Ausdruck zunächst in ein Programm eingelesen und dann programmseitig einer Plausibilitätskontrolle unterzogen, liegt eine dem Prüfer zuzurechnende qualifizierte Prüfungshandlung vor.

 

Normenkette

§ 171 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AO

 

Sachverhalt

Bei der klagenden AG, die Darlehen an die Mehrheitsaktionärin A gegeben hatte, kam es in 2001 zu Umstrukturierungen im Beteiligungsbesitz. Zum 31.12.2002 schrieb sie u.a. die Forderung gegen A ab. Das FA beabsichtigte, eine Außenprüfung durchzuführen (sog. Großbetrieb).

Es erging eine Prüfungsanordnung für die Jahre 2001 und 2002. Am 13.12.2006 erschien die Prüferin bei der AG und nahm einen Datenträger (CD mit Buchführungsdaten für 2001 und 2002) in Empfang. Die Prüferin fertigte später handschriftliche Notizen und druckte zunächst am 20./21.12.2006 Daten betreffend "Periode 2001-2002" aus. In der Handakte befinden sich weiterhin Datenausdrucke mit Datum 16.1.2007 zum Jahr 2001, die sich laut Stichwort mit der "Anwachsung von Anteilen" befassten. Zudem befindet sich dort jeweils eine Kopie der Jahresabschlüsse der Beteiligungsgesellschaften (KG 1 und KG 2) zum 31.12.2001. Weitere Ausdrucke erfolgten am 18.4.2008 und dann wieder am 26./27.11.2009, 7.12.2009 und 30.11.2010. Aus den Aufzeichnungen (Beschäftigungstagebuch 2006/2007) ergaben sich 11 Vorbereitungs-/Prüfungstage (in 2006: 30.10., 1./2.11., 13.12. und 20. bis 22.12.; in 2007: 15. bis 17.1., 22.1.).

Ende 2009 wandte sich die Prüferin erstmals seit der Entgegennahme der Daten-CD wieder an die AG und teilte mit, die bereits begonnene Prüfung fortsetzen zu wollen und dafür Erläuterungen zu den Wertberichtigungen zu benötigen. Die AG machte den Eintritt der Festsetzungsverjährung geltend, da die Außenprüfung vor Ablauf der Festsetzungsfrist nicht ernsthaft begonnen worden sei. Im Übrigen sei die Prüfung jedenfalls ohne ihr Verschulden für einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten unterbrochen worden.

Der gegen Änderungsbescheide gerichteten Klage gab das FG statt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1.9.2015, 8 K 8009/12, Haufe-Index 8992628, EFG 2016, 530).

 

Entscheidung

Der BFH hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung (im Zusammenhang mit den geltend gemachten Teilwertabschreibungen) an das FG zurück.

 

Hinweis

1. Konnte die AG insbesondere das Streitjahr 2002 (einkommensmindernde Forderungsabschreibung) durch den Hinweis auf den Eintritt der Verjährung "retten"? Für die Entscheidung kam es auf die Antwort auf zwei Fragen an: War die Außenprüfung wirksam begonnen und anschließend nicht unterbrochen worden? Der BFH beantwortete die Fragen abweichend vom FG zum Nachteil der Steuerpflichtigen dahin, dass im Streitfall keine Festsetzungsverjährung eingetreten war.

2. Der Fristablauf war nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO durch den noch in 2006 anzunehmenden Beginn der Außenprüfung gehemmt. Denn es lagen für beide Prüfungsjahre sog. qualifizierte Prüfungshandlungen der Prüferin vor. Festgestellt hatte das FG, dass die Prüferin am Prüfungsort erschienen war und dort die nach entsprechender Aufforderung mit Buchführungsdaten (beide Prüfungsjahre) "befüllte"CD entgegengenommen hatte. Darin war eine von ihr veranlasste und für den Steuerpflichtigen erkennbar auf die Ermittlung des Steuerfalls gerichtete Handlung zu sehen, die dem von der Rechtsprechung als qualifizierte Prüfungshandlung anerkannten Verlangen nach der Übergabe von Belegen und Unterlagen gleichsteht. Bei der Anforderung und Entgegennahme der Daten-CD handelt es sich auch nicht um eine rein interne Maßnahme des FA; vielmehr ist sie ohne Weiteres geeignet, das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den ("ungehemmten") Ablauf der Verjährungsfrist zu beseitigen.

3. Auch eine "Prüfungsunterbrechung", die die eingetretene Ablaufhemmung rückwirkend beseitigen könnte, lag nicht vor. Denn die Prüferin hatte die Prüfung nach ihrer Aufnahme im Dezember 2006 zeitnah fortgesetzt, was sich aus den Datenausdrucken unter dem elektronischen Verfahren IDEA ergab (die vom Programm vorgesehene Plausibilitätskontrolle ist bereits eine qualifizierte Prüfungshandlung, die der Prüferin zuzurechnen ist). Es war auch zur Überprüfung der gesellschaftsrechtlichen Anwachsungsvorgänge gekommen und an die entsprechenden Ergebnisse konnte im Zuge der weiteren Prüfung angeknüpft werden.

Ob auch für das Streitjahr 2002 qualifizierte Prüfungsh...

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