Leitsatz

Wird ein unbebautes, bislang als Garten eines benachbarten Wohngrundstücks genutztes Grundstück veräußert, ohne dass der Steuerpflichtige seine Wohnung aufgibt, so ist diese Veräußerung nicht nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG privilegiert.

 

Normenkette

§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG

 

Sachverhalt

Herr K erwarb im eleganten Vorort einer deutschen Großstadt ein Villengrundstück (3 600 qm) mit aufstehendem Gebäude sowie ein daran angrenzendes Grundstück (3 000 qm), auf dem sich ein Gartenpavillon befindet. Beide Grundstücke gehörten irgendwann einmal zusammen und bildeten damals ein Parkgrundstück. Innerhalb der Veräußerungsfrist des § 23 EStG veräußertet K das angrenzende Pavillongrundstück, nicht aber das Villengrundstück, auf dem er wohnen blieb. Das FA unterwarf den Veräußerungsgewinn der Besteuerung, während K die Auffassung vertrat, es handle sich um ein als Garten zu eigenen Wohnzwecken genutztes Wirtschaftsgut. FA und FG (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 03.03.2010, 5 K 42/09, Haufe-Index 2529551, EFG 2011, 240) wiesen dieses Begehren zurück.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen. Allein der auf dem veräußerten Grundstück stehende Pavillon ermöglichte es nicht, einen eigenständigen Haushalt zu führen.

 

Hinweis

1. Im Rahmen der Veräußerungsbesteuerung des § 23 EStG gibt es eine Steuervergünstigung: Ausgenommen von der Besteuerung sind nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Das ist so zu verstehen wie in den Regelungen zur Wohnbauförderung, etwa § 4 EigZulG. Der Zweck der gesetzlichen Freistellung liegt darin, die Versteuerung eines Veräußerungsgewinns bei der Aufgabe eines Wohnsitzes z.B. beim Arbeitsplatzwechsel zu vermeiden.

2. Nur in einer Wohnung kann eigentlich der Sachverhalt stattfinden, den man gemeinhin als "Wohnen" umschreibt. Wie verhält es sich aber bei einem selbst genutzten Garten? Gehört er mit zur Wohnung?

3. Zunächst: Man muss wohl den zur Wohnung gehörenden Grund und Boden in die Förderung einbeziehen. Zwar handelt es sich dabei um ein eigenständiges Wirtschaftsgut, das grundsätzlich in keinem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang zu dem Gebäude steht. Wenn man aber auch den zur Wohnung gehörenden Grund und Boden wie die Wohnung selbst steuerlich behandelt, so tut man dies vor dem Hintergrund des Normzwecks. Der beruflichen Mobilität würde entgegengewirkt, wollte man den zur Wohnung gehörenden Grund und Boden der Veräußerungsgewinnbesteuerung unterwerfen. Ein Umzug würde unter diesen Umständen entgegen der gesetzlichen Intention erschwert.

4. Der Normzweck beantwortet auch die Streitfrage nach der steuerrechtlichen Behandlung eines Grundstücks, das – als Hausgarten genutzt – direkt an das Grundstück grenzt, auf dem sich die Wohnung befindet. Wird dieses Gartengrundstück – anders als das Wohnungsgrundstück – veräußert, während die Wohnung weiterhin selbst genutzt wird, ist der Normzweck der Steuerbegünstigung nicht erfüllt. Denn das Gartengrundstück steht nicht in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Grundstück, auf dem der Steuerpflichtige auch nach der Veräußerung wohnt.

5. Der BFH konnte bei der Konstellation des Streitfalls und seiner am Normzweck orientierten Auslegung mehrere Fragen offen lassen: Besteht ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang nur mit dem Garten als selbstständigem, vom Grund und Boden zu separierendem Wirtschaftsgut? Was bedeutet es, wenn man den "dazugehörenden Grund und Boden" in die Förderung einbezieht? Ist damit jede, auch parkartige Fläche gemeint, die – z.B. als Garten – selbst genutzt wird, oder gibt es Begrenzungen (z.B. auf das Übliche)?

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 25.05.2011 – IX R 48/10

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