Leitsatz

1. Zahlungen aufgrund einer sofort beginnenden Leibrentenversicherung gegen Einmalbetrag sind nicht – auch nicht teilweise – nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG steuerfrei.

2. Zur Besteuerung von "garantierter Rente" und Überschussanteil bei wiederkehrenden Leistungen aus privaten Rentenversicherungen.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. , § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG a.F.

 

Sachverhalt

Der Kläger (Ehemann) schloss bei einem Versicherungsunternehmen eine "Leibrentenversicherung mit sofort beginnender Rentenzahlung gegen Einmalbeitrag" ab. Er zahlte sofort 1,2 Mio. DM und erhält ab 1.1.1991 eine monatliche lebenslängliche (mindestens aber für 10 Jahre zu zahlende) Rente von 7.006 DM ("garantierte Rente") sowie eine Zusatzrente (nicht garantierte Überschussbeteiligung) von zunächst 3.000 DM. Stirbt der Kläger, steht die Rente seiner Ehefrau (Klägerin) auf deren Lebenszeit zu.

Das FA erfasste den Ertragsanteil der Rentenzahlungen (= 32 %) als Einnahmen des Klägers i.S.v. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG. Demgegenüber meinten die Kläger, die Rentenzahlungen seien gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. in vollem Umfang steuerbefreit. Das FG wies die Klage ab (EFG 2002, 909). Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.

 

Entscheidung

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a.F. hätten im Streitfall nicht vorgelegen. Die streitige Rentenversicherung stelle weder eine Versicherung "auf den Erlebensfall" noch "auf den Todesfall" noch eine "gemischte Versicherung" auf den Erlebens- oder Todesfall dar. Sie enthalte demzufolge keinen Sparanteil, der Gegenstand einer nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. steuerbefreiten Verzinsung sein könnte.

Die in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a.F. bezeichneten rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen seien nur solche aus einer Ansparphase. Diese Ansparphase entfalle bei einer sofort beginnenden Rentenversicherung.

 

Hinweis

1. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a.F. gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind. Dies gilt nach Satz 2 dieser Bestimmung nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F., die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von 12 Jahren seit dem Vertragsschluss ausgezahlt werden. Die vom Kläger abgeschlossene Versicherung ist keine solche "auf den Todesfall", da eine Versicherungsleistung nicht erst beim Tod des Versicherten erbracht wird.

Sie ist – anders als im Regelfall der aufgeschobenen Rentenversicherung – auch keine Versicherung "auf den Erlebensfall". Eine solche sieht für den Bezugsberechtigten eine Versicherungsleistung vor, falls der Versicherungsnehmer einen bestimmten Zeitpunkt erlebt. Bei der sofort beginnenden Rentenversicherung handelt es sich auch nicht um eine "gemischte Versicherung" auf den Erlebens- oder Todesfall, die zum Bezug von Zinsen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a.F. führen könnte. In Anbetracht der Zahlung der Einmalprämie und des sofortigen Beginns der Rentenzahlungen erübrigt sich das Ansparen eines Deckungskapitals und damit die Einzahlung von in den Versicherungsprämien enthaltenen Sparanteilen. Mit Recht hat deshalb das Besprechungsurteil im Einklang mit der Vorinstanz entschieden, dass § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. im Streitfall nicht einschlägig sei.

2. Da die Kläger den (gemeinsamen) Sparerfreibetrag nach § 20 Abs. 4 EStG bereits durch anderweitige (Kapital-)Einkünfte voll ausgeschöpft hatten, brauchte nicht entschieden zu werden, ob dieser Freibetrag auch für die hier zu beurteilenden Renteneinnahmen in Anspruch genommen werden konnte.

3. Ohne dieses Problem einer abschließenden Klärung zuzuführen, hat das Besprechungsurteil auch die Frage thematisiert, ob im hier gegebenen Fall einer sich aus zwei Elementen, d.h. einem garantierten Rentenbetrag und einer nicht garantierten Überschussbeteiligung, zusammensetzenden Leibrente diese in eine gleich bleibende und damit der Ertragsanteilsbesteuerung unterfallende (Grund-)Rente und eine der Höhe nach variabel vereinbarte Zusatzrente zergliedert werden muss oder ob im Hinblick auf ein einheitliches Rentenrecht eine solche Aufteilung zu unterbleiben hat mit der möglichen Folge, dass der Zinsanteil dieser sodann insgesamt abänderbaren Rente nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. zu besteuern ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 15.6.2005, X R 64/01

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