Leitsatz

1. Die als abschließend zu betrachtende Aufzählung der Wärmebehandlungsprozesse in § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG a.F. bezieht sich auf sämtliche in der Vorschrift genannten Erzeugnisse und somit auch auf Glas und Glaswaren.

2. Da nur solche Prozesse steuerlich begünstigt sind, bei denen Strom zur Erzeugung von Wärme eingesetzt wird, kommt eine Steuerentlastung für den in Lüftern und Gebläsen zur Generierung motorischer Leistung verwendeten Strom nicht in Betracht.

 

Normenkette

§ 9a Abs. 1 Nr. 2, § 2 Nr. 3 StromStG a.F., Art. 2 Abs. 4 Buchst. b RL 2003/96/EG

 

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt eine Anlage zur Herstellung von Floatglas (Basisglas) zur Weiterverarbeitung zu Multifunktionsglas. Dabei werden die für die Glasherstellung benötigten Ausgangsstoffe bei einer Temperatur von ca. 1.500 °C geschmolzen. Sodann wird die Glasschmelze von einer Seite mit einer Temperatur von über 1.000 °C in eine längliche Wanne mit flüssigem Zinn geleitet, auf dem die leichtere Glasmasse schwimmt. Am anderen Ende der Wanne hat das Glas, das anschließend durch Beschichten, Tempern und Schneiden weiterverarbeitet wird, eine Temperatur von ca. 600 °C. Das kontrollierte Absenken der Temperatur von ca. 1.000 °C auf ca. 600 °C wird insbesondere durch den Einsatz von Lüftern und Gebläsen erreicht. Für den zum Schmelzen, Floaten und Kühlen im Jahr 2009 verwendeten Strom beantragte die Klägerin eine Stromsteuerentlastung nach § 9a StromStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung).

Das HZA gewährte eine Entlastung nur für den zur Wärmeerzeugung verwendeten Strom. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG urteilte, die Klägerin habe nach § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG keinen Anspruch auf eine Steuerentlastung für den sog. Kraftstrom, d.h. den für den Antrieb von Lüftern und Gebläsen verwendeten Strom (Sächsisches FG, Urteil vom 14.1.2014, 7 K 566/12, Haufe-Index 7553424).

 

Entscheidung

Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

 

Hinweis

Nach § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG wird auf Antrag die Steuer für nachweislich versteuerten Strom erlassen, erstattet oder vergütet, den ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes für die Herstellung von Glas und Glaswaren, keramischen Erzeugnissen, keramischen Wand- und Bodenfliesen und -platten, Ziegeln und sonstiger Baukeramik, Zement, Kalk und gebranntem Gips, Erzeugnissen aus Beton, Zement und Gips, mineralischen Isoliermaterialien, Asphalt und mineralischen Düngemitteln zum Brennen, Schmelzen, Warmhalten oder Entspannen der vorgenannten Erzeugnisse oder der zu ihrer Herstellung verwendeten Vorprodukte entnommen hat. Stromsteuerrechtlich begünstigt sind danach zum einen eine bestimmte Gruppe von Unternehmen, zum anderen die Herstellung bestimmter Erzeugnisse durch diese Unternehmen sowie bestimmte Behandlungsmethoden unter Verwendung von Strom bei der Herstellung der Erzeugnisse.

Der BFH hat im Streitfall entschieden, bei den beschriebenen Methoden der Stromverwendung handele es sich um eine abschließende Aufzählung von Wärmebehandlungsprozessen, welche die Herstellung sämtlicher "vorgenannter Erzeugnisse" beträfen. Der seitens der Klägerin vertretenen Auslegung, "Glas und Glaswaren" seien etwas anderes als die im weiteren Verlauf aufgeführten "Erzeugnisse", der bei der Herstellung jener "Waren" verwendete Strom sei daher insgesamt und nicht lediglich für Wärmebehandlungsprozesse steuerlich begünstigt, ist der BFH nicht gefolgt. Hätte der Gesetzgeber für Glas und Glaswaren abweichende Begünstigungsvoraussetzungen gewollt, hätte es nahegelegen, die Vorschrift anders zu formulieren.

Der nationale Gesetzgeber habe mit dieser Ausnahmeregelung von der ihm durch Art. 2 Abs. 4 Buchst. b der RL 2003/96/EG (EnergieStRL) gegebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, demzufolge die EnergieStRL (u.a.) "für mineralogische Verfahren" nicht gelte. Diese seien in der EnergieStRL definiert als Verfahren, die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates vom 9. Oktober 1990 betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft unter die NACE-Klasse DI 26 "Verarbeitung nicht-metallischer Mineralien" fielen. Innerhalb dieser Klasse habe die Herstellung von Glas und Glaswaren aber keine Sonderstellung.

Die Klägerin habe daher nur für den zur Wärmeerzeugung verwendeten Strom einen Anspruch auf Steuerentlastung, nicht aber für den zum Antrieb von Motoren (Lüfter und Gebläse) verwendeten Strom. Das gelte ungeachtet der Behauptung der Klägerin, mit dem kontrollierten Kühlen des Glases werde ein "Entspannen" i.S.d. § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG bewirkt. Für das Kühlen sei nämlich der Einsatz von Motoren, also die Verwendung von Kraftstrom, erforderlich. Hätte der Gesetzgeber in Abweichung vom Prinzip der Begünstigung bestimmter Wärmebehandlungen auch die Ver­wendung von Kraftstrom für das "Entspannen" begünstigen wollen, hätte es einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung bedurft.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 30.6.2015 – ...

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