Leitsatz

Der in § 9 Abs. 3 StromStG verwendete Begriff der landseitigen Stromversorgung von Wasserfahrzeugen für die Schifffahrt ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass von ihm die Versorgung von Wasserfahrzeugen mit Strom nicht erfasst wird, den diese während eines Werftaufenthalts zur Aufrechterhaltung der bordeigenen Infrastruktur verwenden.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 3 StromStG, § 14a Abs. 1 Satz 1 StromStV, Art. 15 Abs. 1 Buchst. j, Art. 19 Abs. 1 EGRL 96/2003 (= EnergieStRL)

 

Sachverhalt

Die Klägerin beantragte die Entlastung von der Stromsteuer nach § 14a StromStV für verwendeten Landstrom, mit dem insgesamt vier in ihrem Reparaturdock befindliche Schiffe zur Aufrechterhaltung der bordeigenen Infrastruktur versorgt worden waren. Das HZA lehnte die beantragte Steuerentlastung ab.

Die Klage hatte Erfolg. Das FG urteilte, der Umstand, dass sich die Schiffe anlässlich im Liegeplatz einer Werft befunden hätten, stehe der Annahme einer steuerbegünstigten landseitigen Stromversorgung i.S.d. § 9 Abs. 3 StromStG nicht entgegen. Dem Wortlaut der Vorschrift könne der Ausschluss von Werftaufenthalten nicht entnommen werden. Eine solche Begrenzung ergebe sich auch nicht aus dem umwelt- und gesundheitspolitischen Sinn und Zweck der Regelung oder aus ihrer Entstehungsgeschichte (FG Hamburg, Urteil vom 11.9.2015, 4 K 52/14, Haufe-Index 8732165).

 

Entscheidung

Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH auf die Revision des HZA die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Hinweis

Nach § 14a Abs. 1 Satz 1 StromStV wird auf Antrag eine Steuerentlastung für nachweislich nach § 3 StromStG versteuerten Strom gewährt, der zu dem in § 9 Abs. 3 StromStG genannten Zweck, nämlich zur landseitigen Stromversorgung von Wasserfahrzeugen für die Schifffahrt, mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Schifffahrt, verbraucht worden ist.

Im Streitfall war zu entscheiden, ob diese Steuerentlastung auch zu gewähren ist, wenn sich das Schiff in einer Werft befindet und während dieser Zeit Strom von Land zur Aufrechterhaltung der bordeigenen Infrastruktur bezieht. Nach dem Wortlaut der vorgenannten Vorschrift liegt in einem solchen Fall eine "landseitige Stromversorgung" vor. Dies entspräche auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die Luftqualität in Häfen zu verbessern.

Der BFH entschied jedoch, das Tatbestandsmerkmal der "landseitigen Stromversorgung" erfasse vor dem Hintergrund des Unionsrechts und der Entstehungsgeschichte der Norm Werftaufenthalte nicht.

Die genannte Vorschrift beruhe auf einer Deutschland auf Antrag erteilten Ermächtigung des Rates gemäß Art. 19 Abs. 1 EnergieStRL, aufgrund besonderer politischer Erwägungen Befreiungen oder Ermäßigungen zu gewähren, die über die in der EnergieStRL festgelegten Begünstigungen hinausgehen. Sowohl in dem Antrag Deutschlands als auch in dem Vorschlag der Kommission an den Rat sowie in der erteilten Ermächtigung des Rates sei indes die Rede davon gewesen, auf direkt an Schiffe "am Liegeplatz im Hafen" gelieferten Strom einen ermäßigten Stromsteuersatz anwenden zu können.

Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei aber nicht anzunehmen, dass sich ein Schiff während seines Aufenthalts zu Wartungs- und Reparaturzwecken in einer Werft "am Liegeplatz im Hafen" befinde. Wollte man § 9 Abs. 3 StromStG gleichwohl auch auf Werftaufenthalte des Schiffs anwenden, ginge man über den Wortlaut der Deutschland erteilten Ermächtigung hinaus und käme zu einer unionsrechtswidrigen Auslegung des Tatbestandsmerkmals "landseitige Stromversorgung". Im Übrigen finde während des Aufenthalts in einer Werft keine gewerbliche Schifffahrt statt. Entsprechende gerichtliche Entscheidungen zum Energiesteuerrecht seien auf den Streitfall übertragbar.

Der BFH hat bei der Auslegung der Vorschrift deutlich zwischen dem vom Gesetzgeber Gewollten und dem politisch Wünschenswertem unterschieden. Sicher wäre es der Luftqualität in Häfen dienlich, wenn auch die Schiffe in Werften den benötigten Strom nicht durch ihre Motoren erzeugten. Der Gesetzgeber hat den Umweltgedanken aber ohnehin nur halbherzig verfolgt. Man fragt sich insoweit z.B., warum § 9 Abs. 3 StromStG die private nichtgewerbliche Schifffahrt ausnimmt, die sicher auch zur Luftverschmutzung beiträgt, und warum die Steuerbegünstigung für landseitigen Strom einen Anreiz geben soll, die Schiffsmotoren im Hafen abzuschalten, wenn doch die Schiffsbetriebsstoffe ohnehin steuerbegünstigt sind und Strom, der auf Wasserfahrzeugen erzeugt und dort verbraucht wird, steuerfrei ist. Eine von vielen Ungereimtheiten im Gestrüpp des Energie- und Stromsteuerrechts.

Wieder einmal ist dem Gesetzgeber im Energie- und Stromsteuerrecht mangelhaftes Handwerk vorzuwerfen. Es erscheint völlig unverständlich, weshalb die seitens des Rates erteilte Ermächtigung nicht wortgetreu in § 9 Abs. 3 StromStG übernommen wurde. Nun muss der Fehler ausgebügelt werden: Nach dem vor Kurzem vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energie- und S...

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