Leitsatz

1. Das Gemeinschaftsrecht enthält bei seinem derzeitigen Stand keine spezifische Vorgabe in Bezug auf die Methode zur Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen. In Ermangelung einer spezifischen Gemeinschaftsregelung ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Regeln und die Methoden für die Rundung der Mehrwertsteuerbeträge zu bestimmen; dabei müssen sie darauf achten, dass die Grundsätze, auf denen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht, namentlich die Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität, eingehalten werden. Insbesondere steht das Gemeinschaftsrecht der Anwendung einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach ein bestimmter Mehrwertsteuerbetrag aufgerundet werden muss, wenn der Bruchteil der kleinsten Einheit der betreffenden Währung größer oder gleich 0,5 ist, und es schreibt auch nicht vor, dass den Steuerpflichtigen das Abrunden eines Mehrwertsteuerbetrags zu gestatten ist, der einen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit umfasst.

2. Bei einem Verkaufspreis, in dem die Mehrwertsteuer enthalten ist, ist es in Ermangelung einer spezifischen Gemeinschaftsregelung Sache des jeweiligen Mitgliedstaats, innerhalb der Grenzen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere unter Beachtung der Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität, die Ebene zu bestimmen, auf der ein Mehrwertsteuerbetrag, der einen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit umfasst, gerundet werden darf oder muss.

3. Da sich Wirtschaftsteilnehmer, die die Preise für ihre Warenverkäufe und Dienstleistungen unter Einschluss der Mehrwertsteuer berechnen, in einer anderen Lage befinden als diejenigen, die die gleiche Art von Geschäften zu Preisen ohne Mehrwertsteuer tätigen, können sich die Erstgenannten nicht auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität berufen, um zu erreichen, dass ihnen gestattet wird, die Abrundung der geschuldeten Mehrwertsteuerbeträge auf der Ebene der Warengattung und des Umsatzes vorzunehmen.

 

Normenkette

Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 12 Abs. 3, Art. 22 Abs. 3 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Wetherspoon betreibt eine Kette von Gaststätten in UK. Den Großteil ihrer Einnahmen bezieht sie aus Einzelhandelsverkäufen von Essen und Getränken an Endverbraucher. Diesen gegenüber gibt W. einen Preis an, in dem die Mehrwertsteuer enthalten ist. Aufgrund technischer Neuerungen konnte W. die MwSt auf der Ebene der "Warengattung", d.h. für jede einzelne getrennt geführte Produktart, berechnen, sofern ein Umsatz davon mehrere umfasst. Dies hielt das FA unter Hinweis auf nationale Regelungen für unzulässig.

 

Entscheidung

Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Das Gemeinschaftsrecht lässt danach auch eine Regelung zu, wonach ein bestimmter Mehrwertsteuerbetrag aufgerundet werden muss, wenn der Bruchteil der kleinsten Einheit der betreffenden Währung größer oder gleich 0,5 ist, und es schreibt auch nicht vor, dass den Steuerpflichtigen das Abrunden eines Mehrwertsteuerbetrags zu gestatten ist, der einen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit umfasst.

 

Hinweis

1. Die Entscheidung betrifft im Wesentlichen die Frage, ob die Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen unter das nationale Recht oder unter das Gemeinschaftsrecht fällt, und insbesondere, ob das Gemeinschaftsrecht Regelungen zum Rundungsverfahren umfasst. Insoweit hatte der EuGH bereits entschieden, dass die Bestimmungen der 1. und der 6. EG-RL hierfür keine ausdrückliche Regel enthalten. Zudem kann weder aus dem Zweck noch aus der Systematik von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a und Art. 22 Abs. 3 Buchst. b sowie Abs. 4 und 5 der 6. EG-RL geschlossen werden, dass das Gemeinschaftsrecht eine spezifische Rundungsmethode vorsieht.

2. Fehlt eine Gemeinschaftsregelung, ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Regeln und die Methoden für die Rundung der Mehrwertsteuerbeträge zu bestimmen. Die Mitgliedstaaten müssen nur darauf achten, dass die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität eingehalten werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Frage der anzuwendenden spezifischen Rundungsmethode als solche unter das Gemeinschaftsrecht fällt. Ob eine Rundungsmethode gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen entspricht, hat das nationale Gericht zu entscheiden.

3. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verlangt, dass die Steuerpflichtigen, die die gleichen oder gleichartige wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, hinsichtlich der Rundungsmethode nicht unterschiedlich behandelt werden. Auch darf der von der Steuerverwaltung erhobene Mehrwertsteuerbetrag nicht höher sein als der, den der Endverbraucher an den Unternehmer zahlt.

4. Der Grundsatz der Proportionalität verlangt lediglich, dass grundsätzlich jeder gerundete Betrag so weit wie möglich dem Betrag entspricht, der sich bei Anwendung des geltenden Satzes ergibt. Dieses Erfordernis ist jedoch auch mit den praktischen Bedürfnissen einer effektiven Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in Einklang zu bringen. Wegen des...

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