Leitsatz

Der Haftungsausschluss nach § 42d Abs. 2 i.V.m. § 41c Abs. 4 EStG setzt stets eine Korrekturberechtigung i.S.d. § 41c Abs. 1 EStG voraus. Daran fehlt es, wenn eine LSt-Anmeldung vorsätzlich fehlerhaft abgegeben worden war und dies dem Arbeitgeber zuzurechnen ist (§ 41c Abs. 1 Nr. 2 EStG).

 

Normenkette

§ 41c, § 42d EStG

 

Sachverhalt

Für Ks Lohnbuchhaltung war von 2001 bis 2003 Personalleiterin P zuständig. In dieser Zeit manipulierte P ihre eigenen Gehaltsabrechnungen. Dadurch führte K für P 43 600 EUR zu wenig LSt ab.

Bei einer für 1999 bis 2002 durchgeführten LSt-Außenprüfung blieb dies unentdeckt. Bei der weiteren LSt-Prüfung für 2003 bis 2005 zeigte K dem FA unter Hinweis auf § 41c EStG an, dass P nicht mehr für sie arbeite und dass 2002 und 2003 sowie vermutlich auch in den Vorjahren zu wenig LSt einbehalten worden sei.

Das FA erweiterte die Außenprüfung auf 1996 bis 2002 und nahm K gem. § 42d EStG als Haftungsschuldnerin für die LSt in Anspruch. Die Klage blieb erfolglos (FG Bremen, Urteil vom 21.05.2008, 2 K 74/07, Haufe-Index 2006141, EFG 2008, 1622).

 

Entscheidung

Der BFH teilte die Auffassung der Vorinstanz, dass angesichts der von vornherein bestehenden Kenntnis des unzutreffenden LSt-Abzugs, wie unter Praxishinweisen dargelegt, keine Haftungsbefreiung in Betracht kommen konnte.

 

Hinweis

Im Besprechungsfall war nicht die Haftung, sondern die besondere Haftungsbefreiung des § 42d Abs. 2 i.V.m. § 41c Abs. 4 EStG streitig.

1. Der Wortlaut der Haftungsbefreiung (§ 42d Abs. 2 i.V.m. § 41c Abs. 4 EStG) ist wenig verständlich. Danach haftet der Arbeitgeber nicht, wenn er dem FA gegenüber von seinem Recht zur Änderung des LSt-Einbehalts (§ 41c Abs. 1 EStG) keinen Gebrauch macht (§ 41c Abs. 4 S. 1 1. Alternative EStG) oder hiervon keinen Gebrauch machen kann (§ 41c Abs. 4 S. 1 2. Alternative EStG) und dies dem Betriebsstättenfinanzamt unverzüglich anzeigt. Der BFH liest aus Sinn und Zweck der Anzeige nach § 41c Abs. 4 EStG, dass die Haftungsbefreiung stets eine Korrekturberechtigung nach § 41c Abs. 1 EStG voraussetzt und der Steuergesetzgeber insbesondere kein allgemeines Haftungsprivileg für alle die Fälle schaffen wollte, in denen der Arbeitgeber aus tatsächlichen Gründen (§ 41c Abs. 4 S. 1 Nrn. 1 bis 3 EStG) die LSt nicht mehr korrigieren kann (BTDrucks. 7/1470, S. 306; 7/2180, S. 23): zur Haftungsbefreiung kommt es also nicht allein dadurch, dass der Arbeitgeber das FA über den Haftungstatbestand informiert.

2. Hier hatte K keine Korrekturberechtigung nach § 41c Abs. 1 EStG. Denn § 41c Abs. 1 Nr. 2 EStGsetzt voraus, dass der Arbeitgeber erkennt, dass der bisherige LSt-Einbehalt nicht ordnungsgemäß war. Ein solches "Erkennen" bedeutet indessen, dass der Arbeitgeber nach Abgabe der fehlerhaften LSt-Anmeldungen irgendwelche Kenntnisse erlangt. An einer solchen nachträglichen Erkenntnis fehlt es bei einem vorsätzlich fehlerhaften LSt-Einbehalt. Denn dann besteht die Erkenntnis von Anfang an.

Der Umstand, dass nur ein Mitarbeiter des Arbeitgebers diese bessere Kenntnis hatte, konnte daran nichts ändern. Denn nach § 166 Abs. 1 BGB ist dem Vertretenen (dem Arbeitgeber) das Wissen des Vertreters (der Lohnbuchhalterin P) zuzurechnen. P als "Wissensvertreter" war bei K dazu berufen, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben zu erledigen, insbesondere Erklärungen gegenüber dem FA abzugeben (§ 149 AO); das war K zuzurechnen. Der BFH konnte sich hierzu auf Rechtsprechung des BGH berufen (BGH, Urteile vom 01.03.1984, IX ZR 34/83, NJW 1984, 1953; vom 24.01.1992, V ZR 262/90, BGHZ 117, 104).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 21.04.2010 – VI R 29/08

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