Leitsatz

Beim Verkauf verpachteter Altenheime von einer Unternehmensgruppe an eine andere Unternehmensgruppe liegt keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor, wenn die Fortführung der Verpachtungstätigkeit die Übertragung von Grundbesitz, Inventar und Gesellschaftsanteilen erfordert und diese Übertragungen von verschiedenen (selbstständigen) Veräußerern an verschiedene (selbstständige) Erwerber erfolgen.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1a, § 4 Nr. 8 Buchst. f, § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG, Art. 5 Abs. 8 6. EG-RL, Art. 19 MwStSystRL

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine aus den Eheleuten X bestehende GbR, vermietete Grundbesitz an die Betreiber von drei "Seniorenresidenzen" in A, B und C. Deren Betreiber sind Schwestergesellschaften der Klägerin in der Rechtsform einer OHG, an denen die Eheleute X ebenfalls je zur Hälfte beteiligt sind. Die Vermietung der Grundstücke erfolgte steuerfrei. Soweit die Klägerin auch Eigentümerin des Inventars war, vermietete sie dieses den Betreibern steuerpflichtig; aus den Anschaffungskosten für das Inventar wurde ihr der Vorsteuerabzug gewährt.

Ab dem 1.1.2006 wurden die drei Seniorenresidenzen von den Betreibergesellschaften unterverpachtet an die Z‐GmbH (im Folgenden Z).

Mit notariellem Vertrag vom 22.12.2006 wurden diese (und weitere) Seniorenresidenzen zum 1.1.2007 zu einem Kaufpreis von … EUR an eine aus vier Aktiengesellschaften bestehende schwedische Investorengruppe veräußert. In dem Vertrag traten elf verschiedene Verkäufer auf. Herr X wurde als "Verkäufer 1" und seine Ehefrau als "Verkäuferin 2" – beide gemeinsam auch als "Eheleute X" – bezeichnet. Sie handelten u.a. – in ihrer Eigenschaft als allein vertretungsberechtigte, persönlich haftende Gesellschafter – für die Seniorenresidenz A OHG ("Verkäufer 9"), für die Seniorenresidenz B OHG ("Verkäufer 10") und für die Seniorenresidenz C OHG ("Verkäufer 11").

Der Verkäufer 1 und die Verkäuferin 2 veräußerten u.a. den Grundbesitz an die Gesellschaft I AB (Grundstückskäuferin) und als "die Verkäufer" das Inventar an die Gesellschaft J AB (Inventarkäuferin). Zugleich veräußerten der Verkäufer 1 und die Verkäuferin 2 die Beteiligungen an den Personengesellschaften an zwei weitere Gesellschaften, nämlich die K AB (Gesellschaftskäuferin 1) und die L AB (Gesellschaftskäuferin 2); die Erwerber traten in die Pachtverträge mit der Z ein.

Die Klägerin nahm eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1a UStG an und reichte deshalb für das Jahr 2007 (Streitjahr) keine Umsatzsteuererklärung ein.

Das FA ging dagegen wegen des Erwerbs von Grundbesitz und Inventar durch verschiedene Gesellschaften von einer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbaren – und auch steuerpflichtigen – Veräußerung des Inventars der Seniorenresidenzen in A, B und C durch die Klägerin aus.

Das FG gab der Klage statt. Die (allein) streitbefangene Veräußerung des Inventars sei nicht steuerbar. Werde – wie im Streitfall – ein Geschäftsbetrieb von einer Veräußerergruppe an eine Erwerbergruppe veräußert, ohne dass die Voraussetzungen der Organschaft erfüllt seien, so könne gleichwohl insgesamt eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegen (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.3.2014, 6 K 1396/10, Haufe-Index 6670842, EFG 2014, 1036).

 

Entscheidung

Die Revision des FA führte zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage. Das FG hatte zu Unrecht bei dem streitbefangenen Verkauf des Inventars auch die Veräußerungen des Grundbesitzes und der Gesellschaftsanteile berücksichtigt und dabei als unmaßgeblich angesehen, dass mehrere Veräußerer und mehrere Erwerber mehrere Veräußerungen vorgenommen haben.

Diese Vorgänge durften aber nicht bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen hinsichtlich des streitbefangenen Umsatzes zwischen der Klägerin und der Inventarkäuferin einbezogen werden, weil es sich insoweit um umsatzsteuerrechtliche Leistungsbeziehungen zwischen anderen Vertragspartnern handelte. Das ergebe sich aus u.a. daraus, dass nach § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG"der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers" tritt – also jeweils der Singular verwendet wird.

 

Hinweis

Nach § 1 Abs. 1a UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 1a Satz 2 UStG). Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 4.2.2015 – XI R 14/14

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