Leitsatz

1. Die sog. Schachtelstrafe gem. § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i.d.F. d. StBereinG 1999) verstößt gegen die unionsrechtliche Grundfreiheit der freien Wahl der Niederlassung nach Art. 43 EG (jetzt Art. 49 AEUV) und bleibt deswegen innerhalb der EU unanwendbar (Bestätigung des Senatsurteils vom 13.6.2006, I R 78/04, BFH/NV 2007, 622, BFH/PR 2007, 104 und des BMF-Schreibens vom 30.9.2008, BStBl I 2008, 940).

2. § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i.d.F. d. StBereinG 1999) verlangt i.V.m. Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Sätze 1 und 3 DBA-USA 1989 als maßgebende Bezugsnorm eine unmittelbare Beteiligung an einer in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässigen Gesellschaft von mindestens 10 % der stimmberechtigten Anteile und damit eine qualifizierte Mindestbeteiligungsquote, welche bei typisierender Betrachtung geeignet ist, nach der einschlägigen Spruchpraxis des EuGH "einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Beteiligungsgesellschaft zu ermöglichen". Die Unanwendbarkeit von § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i.d.F. d. StBereinG 1999) erstreckt sich deshalb infolge Vorrangs der Niederlassungsfreiheit gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit (nach Art. 56 EG, jetzt Art. 63 AEUV) nicht auf sog. Drittstaaten (Abgrenzung zu den Senatsurteilen vom 9.8.2006, I R 95/05, BFH/PR 2007, 21 sowie vom 26.11.2008, I R 7/08, BFH/NV 2009, 849, BFH/PR 2009, 224).

3. Die sog. Schachtelstrafe (hier nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 i.d.F. d. StBereinG 1999) widerspricht weder den Diskriminierungsverboten des Art. XI des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrages noch jenen des Art. 24 DBA-USA 1989. Sie stellt gegenüber den abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien (hier nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Sätze 1 und 3 i.V.m. Art. 10 Abs. 4 DBA-USA 1989) auch kein "Treaty override" dar.

 

Normenkette

§ 8b Abs. 5 und 7, § 54 Abs. 6d KStG 1999 (i.d.F. d. StBereinG 1999), Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Sätze 1 und 3, Art. 24 DBA-USA 1989, Art. 43, Art. 56 EG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, war im Streitjahr 1999 zu 33,5 % an einer in den USA ansässigen Kapitalgesellschaft, der UC, beteiligt. Für die in diesem Jahr aus dieser Beteiligung erzielte Brutto-Dividende wurde in den USA nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a DBA-USA 1989 eine Quellensteuer von 5 % einbehalten. Das FA nahm die Dividende nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Sätze 1 und 3 i.V.m. Art. 10 Abs. 4 DBA-USA 1989 von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer aus, unterwarf sie jedoch der sog. Schachtelstrafe nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. und berücksichtigte hiernach steuererhöhend 5 % der Brutto-Dividende als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben. Tatsächlich betrugen die der Klägerin im Zusammenhang mit der Beteiligung im Streitjahr entstandenen Kosten lediglich rd. 10.000 DM.

Die Klägerin sah nur die ihr tatsächlich entstandenen Betriebsausgaben gem. § 3c EStG 1997 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1999 als nicht abzugsfähig an. Die sog. Schachtelstrafe des § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. sei hingegen unionsrechtswidrig; sie bleibe infolgedessen auch bezogen auf Beteiligungen in sog. Drittstaaten wie hier in den USA unanwendbar. Das FA lehnte das ab. Die anschließende Klage war erfolgreich (FG Köln, Urteil vom 22.11.2011, 13 K 2853/07, EFG 2012, 1085), ...

 

Entscheidung

… und das FG hatte nach den einschlägigen Vorentscheidungen des BFH dazu auch alle guten Gründe. Doch hob der BFH das FG-Urteil auf und wies die Klage dennoch ab. Die Besonderheit gegenüber den sonstigen – und neueren – Schachtelstrafen-Tatbeständen in § 8b KStG war seinerzeit die Verknüpfung der Strafe mit dem Gegenstand der Schachtelfreistellung, welche erst bei einer Mindestbeteiligungsquote von 10 % einsetzte. Darin sah der BFH eine "Sperre" für die Anwendung der "an sich" verletzten Kapitalverkehrsfreiheit. Alle Einzelheiten ergeben sich dazu aus den Praxis-Hinweisen.

 

Hinweis

1. Das Urteil betrifft "eigentlich" sog. ausgelaufenes Recht, nämlich § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. und die darin geregelte sog. Schachtelstrafe. Diese ähnelte § 8b Abs. 5 KStG in der Jetztzeit. Sie erstreckte sich allerdings nur auf Auslandsbeteiligungen, und deshalb hatte der BFH sie – in Einklang mit der EuGH-Judikatur – als unionsrechtswidrig angesehen (Urteil vom 13.6.2006, I R 78/04, BFH/NV 2007, 622, BFH/PR 2007, 104). Sie verstößt sowohl gegen die Niederlassungs- als auch die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 43, Art. 56 EG, Art. 49, Art. 63 AEUV). Daran wurde und wird längst nicht mehr gedeutelt. Es wird allseits und auch vom BMF (Schreiben vom 30.9.2008, BStBl I 2008, 940) akzeptiert, und letztlich wurde die Schachtelstrafe des § 8b KStG bekanntermaßen im weiteren Verlauf vom Gesetzgeber auch auf alle in- wie ausländische Steuerpflichtigen ausgedehnt. Die Unionsrechtswidrigkeit wurde vom BFH jetzt nur noch einmal bestätigt.

2. Die klagende GmbH wollte allerdings "mehr": Sie wollte die Ausdehnung der konstatierten Unionsrechtswidrigkeit auch auf sog. Drittstaaten-Beteiligungen, hier einer solchen in den USA. Auch das hatte der BFH in der Vergangenheit bereits...

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