Leitsatz

1. Ändert sich die einer unverbindlichen Auskunft zugrunde liegende Rechtslage, ist das FA nicht nach Treu und Glauben gehindert, einen der geänderten Rechtslage entsprechenden erstmaligen Umsatzsteuerbescheid zu erlassen, es sei denn, es hat anderweitig einen Vertrauenstatbestand geschaffen.

2. Das Finanzamt schafft in der Regel nicht dadurch einen Vertrauenstatbestand, dass es nach Änderung der einer unverbindlichen Auskunft zugrunde liegenden Rechtslage einen entsprechenden Hinweis an den Steuerpflichtigen unterlässt.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 14 UStG 1999, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Dipl.-Psychologin. Sie erstellte u.a. auch psychologische Gutachten für Familiengerichte und die Staatsanwaltschaft.

Auf ihre telefonische Anfrage erteilte ihr das FA in einem Schreiben vom 02.01.1997 die Auskunft, die Erstellung psychologischer Gutachten sei nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei. Eine verbindliche Auskunft könne ihr leider nicht erteilt werden, da die Voraussetzungen nach § 204 AO nicht erfüllt seien.

Die Klägerin gab in der Folgezeit keine USt-Erklärungen ab.

Im März 2003 vermerkte der zuständige Sachbearbeiter auf der Einnahme-Überschussrechnung der Klägerin für das Jahr 2002 bei den von ihr erklärten Ein­nahmen aus schriftlichen Gutachten "USt-Pflicht?", nahm bei weiteren Ausgaben Anmerkungen vor und notierte "Bp melden".

Auf die Meldung zur Durchführung einer Außenprüfung teilte die Betriebsprüfungsstelle im Mai 2003 dem zuständigen Sachbearbeiter mit, die Prüfung für die VZ 2002 bis 2004 sei für das Kalenderjahr 2006 vorgemerkt.

Bei der im Jahr 2006 durchgeführten Außenprüfung stellte die Prüferin fest, dass bei den von der Klägerin erstellten Gutachten als Gerichtssachverständige die medizinische Betreuung nicht im Vordergrund gestanden habe und die Gutachtertätigkeit deshalb USt-pflichtig sei. Das FA erließ einen entsprechenden USt-Bescheid für das Streitjahr 2004.

Das FG Rheinland-Pfalz gab der Klage statt: Zwar sei die gutachterliche Tätigkeit der Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH USt-pflichtig. Der Klägerin sei aber nach den Gesamtumständen des Streitfalls Vertrauensschutz zu gewähren (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.01.2009, 6 K 2756/07, Haufe-Index 2126751, EFG 2009, 630).

 

Entscheidung

Die Revision des FA führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.

Der BFH entschied, dass mit der Auskunft, die das FA ausdrücklich als nicht verbindlich bezeichnet ­habe, keine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden sei.

Das FA habe auch nicht außerhalb einer verbindlichen Zusage durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Die in dem Schreiben vom 02.01.1997 erteilte Auskunft habe offensichtlich unter dem Vorbehalt gestanden, dass sich die Rechtslage nicht ändere. Da sich die Rechtslage aber geändert habe, habe das FA nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung seine als falsch erkannte Rechtsauffassung aufgeben müssen. Dass der Veranlagungsbeamte es unterlassen habe, die durch einen Steuerberater vertretene Klägerin gleichzeitig mit der Meldung des Falls an die Betriebsprüfungsstelle auf die Änderung der Rechtslage aufmerksam zu machen, habe keinen Vertrauenstatbestand geschaffen.

 

Hinweis

1. Gem. § 4 Nr. 14 S. 1 UStG sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit steuerfrei.

Nach Abschn. 88 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 UStR 1996 stellte auch die Erstellung von Gutachten durch Ärzte eine"heilberufliche Tätigkeit" dar.

Durch Urteil vom 14.09.2000 (EuGH, Urteil vom 14.09.2000, C-384/98, BFH/NV Beilage 2001, 31) entschied der EuGH, der Begriff der "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL könne nicht so ausgelegt werden, dass er medizinische Eingriffe umfasse, die zu einem anderen Zweck als dem der Diagnose, der Behandlung und – soweit möglich – der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen durchge­führt würden.

Danach hatte die Finanzverwaltung nicht mehr an ihrer bisherigen Rechtsauffassung festgehalten und entschied, die Erstellung ärztlicher Gutachten sei nur steuerfrei, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund stehe (vgl. BMF, Schreiben vom 13.02.2001, BStBl I 2001, 157, vom 08.11.2001, BStBl I 2001, 826).

Der BFH hat § 4 Nr. 14 S. 1 UStG richtlinienkonform dahin ausgelegt, dass ärztliche Leistungen, die anderen Zwecken dienen als der Diagnose, Behandlung oder – soweit möglich – Heilung von Krank­heiten oder Gesundheitsstörungen nicht vom Tatbestand dieser Vorschrift erfasst werden (vgl. BFH, Urteil vom 15.07.2004, V R 27/03, BFH/NV 2004, 1490, BFH/PR 2004, 449).

Dementsprechend ist die Erstellung ärztlicher Gutachten, die nicht diesen Zwecken dienen, nicht steuerfrei.

2. Die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verlangen, dass ein nach dem Gesetz entstandener Steueranspruch auch...

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