Leitsatz

Bei einer Lebensversicherung gegen Einmalzahlung ist ein vor dem Laufzeitende erklärter Verzicht des Versicherungsnehmers auf vertraglich vereinbarte Teilauszahlungsansprüche allenfalls eine Stundung, nicht aber eine Schuldumschaffung (Novation) der Ansprüche, sodass kein Zufluss von Einnahmen in Höhe dieser Ansprüche nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG gegeben ist.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger schloss im Jahr 2000 im Rahmen einer "Wealthmaster Noble"-Police eine – darlehensfinanzierte – Kapitallebensversicherung gegen Einmalzahlung mit Versicherungsbeginn ab 10.1.2001 sowie einer Policenlaufzeit von 35 Jahren ab. Als Ablaufdatum war der 10.1.2036 vereinbart. Die Vereinbarungen sahen des Weiteren ab dem 1.3.2001 regelmäßige vierteljährliche Auszahlungen sowie nach Ablauf von zehn Jahren – für weitere fünf Jahre – jährliche Auszahlungen sowie eine Einmalzahlung am 1.12.2010 i.H.v. 320.000 DM und in der "Auszahlungsphase" 20 Jahre lang eine jährliche Zahlung von 40.000 DM vor.

Die ab dem 1.3.2001 vorgesehenen vierteljährlichen Teilzahlungen erfolgten indessen nicht, weil der Kläger im Januar 2001 gegenüber dem Versicherer – im Einverständnis mit der das Finanzierungsdarlehen gewährenden Bank – beantragt hatte, die Teilzahlung auf 0 DM zu reduzieren. Im Jahr 2009 kündigte der Kläger den Vertrag. Der daraufhin ausgezahlte Restwert der Versicherung reichte nur für die teilweise Ablösung des Darlehens bei der Bank. Zur Tilgung im Übrigen setzte der Kläger Eigenmittel ein.

Für 2002 und 2003 machte der Kläger die nach dem Darlehensvertrag geschuldeten Zinsen und Gebühren als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Das FA ließ diese Aufwendungen unberücksichtigt.

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das FG nur zum Teil statt (FG des Saarlandes, Urteil vom 7.12.2011, 1 K 1058/08, Haufe-Index 3747166). Zwar sei das FA zu Unrecht von einer fehlenden Überschusserzielungsabsicht ausgegangen. Jedoch seien Einnahmen aus Kapitalvermögen in Form der vertraglich vereinbarten Teilauszahlungen während der "Finanzierungsphase" zu erfassen. Sie seien trotz Verzichts auf die tatsächliche Auszahlung i.S.v. § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage in vollem Umfang statt.

Dem Kläger seien in den Streitjahren 2002 und 2003 keine Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe der Teilauszahlungsbeträge i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen, nachdem sich die Vertragsbeteiligten bereits vor dem Streitzeitraum über den Verzicht auf die Auszahlungen geeinigt hätten.

In dem Verzicht des Klägers und dessen Annahme durch den anderen Vertragsbeteiligten sei entgegen der Auffassung des FG keine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger zu sehen, dass der (Teilauszahlungs-)Betrag fortan "aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein" solle.

An einem solchen neuen Schuldgrund fehle es im Streitfall. Weder sei im Jahr des Verzichts auf die Teilauszahlungen (2001) noch in den Folgejahren ein neuer Schuldgrund für Teilauszahlungen vereinbart worden.

Vielmehr habe das Versicherungsunternehmen den Gesamtbetrag der vereinbarten Auszahlungsbeträge unverändert aufgrund der ursprünglichen Policenvereinbarung geschuldet. Da diese ausschließlicher Rechtsgrund aller Zahlungsansprüche des Klägers geblieben sei, könne nicht von einer Schuldumschaffung ausgegangen werden.

 

Hinweis

1. Einnahmen aus Kapitalvermögen liegen nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG erst vor, wenn sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH führt das Innehaben von Ansprüchen oder Rechten den Zufluss von Einnahmen regelmäßig noch nicht herbei. Der Zufluss ist grundsätzlich erst mit der Erfüllung des Anspruchs gegeben.

2. Einnahmen sind erst zugeflossen, wenn der Steuerpflichtige wirtschaftlich über sie verfügen kann.

a) Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Auch die Hingabe eines (gedeckten) Schecks führt zum Zufluss des entsprechenden Geldbetrags.

b) Ebenso kann eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten den Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht. Der Gläubiger muss allerdings in der Lage sein, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen. Ein solcher Zufluss durch Gutschrift in den Büchern "des Verpflichteten" kommt im Übrigen grundsätzlich nur in Betracht, wenn und soweit eine Zahlungsverpflichtung besteht.

c) Der Zufluss kann zudem durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag "fortan aus einem anderen Re...

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