Leitsatz

Aufgrund der Fiktion in § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG richtet sich der Vorsteuerabzug grundsätzlich nach dem Recht des Staates des Leistungsbezugs und nicht nach dem Recht des Staates der Leistungserbringung.

Einem Künstler, dessen Leistungen nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG steuerfrei sind, steht kein Vorsteuerabzug aus Vermittlungsleistungen zu, mit denen ihm Auftritte bei ausländischen Veranstaltern vermittelt werden. Denn die künstlerischen Leistungen wären steuerfrei, wenn sie im Inland erbracht würden.

 

Sachverhalt

Streitig ist der Vorsteuerabzug von ausländischen Leistungen. Der Kläger ist ein im In- und Ausland selbständig tätiger Künstler. Die von ihm im Inland erbrachten Leistungen sind aufgrund der Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde im Streitjahr gemäß § 4 Nr. 20a UStG steuerfrei. 2011 stellten ihm zwei im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Künstleragenturen für die Vermittlung von Engagements bei dort ansässigen Veranstaltern Provisionen in Rechnung, die er 2011 auch zahlte.

Nach Ansicht des Finanzamts ist der Kläger nach § 13b Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 UStG Schuldner der Umsatzsteuer für die von den ausländischen Agenturen erbrachten Leistungen. Den insoweit vom Kläger begehrten Vorsteuerabzug lehnte das Finanzamt ab, da der Kläger steuerfreie den Vorsteuerabzug ausschließende Umsätze tätige (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG). Nach Auffassung des Klägers sei der Vorsteuerabzug nicht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ausgeschlossen. Die von ihm in den anderen Mitgliedsstaaten erbrachten und dort steuerpflichtigen Leistungen seien nicht als fiktiv steuerfrei zu behandeln. Ob eine kulturelle Dienstleistung als fiktiv steuerpflichtig zu behandeln sei, könne nur nach den Verhältnissen im Mitgliedsstaat beurteilt werden, in dem die Leistung erbracht worden sei. Die Steuerfreiheit aufgrund der Bescheinigung der zuständigen Behörde sei insoweit einschränkend auszulegen.

 

Entscheidung

Der Kläger kann für die ihm gegenüber erbrachten Vermittlungsleistungen keinen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen.

Die von den im EU-Ausland ansässigen Künstleragenturen an den Kläger erbrachten Vermittlungsleistungen sind gemäß § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig. Hierfür schuldet der Kläger als unternehmerischer Leistungsempfänger gemäß § 13b Abs. 1, 5 UStG die Umsatzsteuer.

Zwar erhält der Unternehmer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG aus der von ihm § 13b Abs. 1, 2 UStG geschuldeten Umsatzsteuer den Vorsteuerabzug. Der Vorsteuerabzug ist aber nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ausgeschlossen. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG schließt den Vorsteuerabzug für steuerfreie Umsätze aus. Nach Nr. 2 gilt dies auch für Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden. Dies ist hier der Fall.

Die vom Kläger gegenüber den Veranstaltern erbrachten sonstigen Leistungen unterliegen gemäß § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG nicht der deutschen Umsatzsteuer (sondern der Umsatzsteuer der Länder, in denen die Veranstalter ihre Unternehmen betrieben). Würde sich der Leistungsort hingegen im Inland befinden, wären die Umsätze des Klägers aufgrund der ihm erteilten Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde gemäß § 4 Nr. 20 a UStG steuerfrei.

Aufgrund der Fiktion in § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG richtet sich der Vorsteuerabzug grundsätzlich nach dem Recht des Staates des Leistungsbezuges und nicht nach dem Recht des Staates der Leistungserbringung. Das Gesetz hebt aus Gründen der Praktikabilität nicht auf die steuerliche Behandlung im Ausland ab und nimmt im Einklang mit Art. 168 a MwStSystRL eventuelle Steuerkumulierungen in Kauf. Eine Ausnahme von dieser Regel für Leistungen, die erst aufgrund einer besonderen Bescheinigung im Inland steuerfrei sind, gibt der Wortlaut das Gesetz nicht her. Eine Auslegung entgegen dem Wortlaut ist auch nicht deshalb geboten, weil die im Inland zur Steuerbefreiung führende Bescheinigung im übrigen Gemeinschaftsgebiet nicht bindend ist.

Das für die Umsatzsteuer geltende Neutralitätsprinzip wird durch die in § 15 Abs. 2 UStG aufgeführten (unechten) Steuerbefreiungen durchbrochen (BFH, Urteil v. 6.5.2004, BStBl 2004 II S. 856). Diese Durchbrechung ist hinzunehmen, weil sie dem Willen des Richtliniengebers entspricht, wie es sich aus der Stand-still-Klausel nach Art. 176 Abs. 2 MwStSystRL ergibt.

 

Hinweis

Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt (Az beim BFH V R 14/17). Abzuwarten bleibt, ob der Bundesfinanzhof seine bisherige Auffassung ändern wird.

 

Link zur Entscheidung

Sächsisches FG, Urteil vom 15.03.2017, 2 K 1510/16

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