Leitsatz

1. Gehören zu einem erbschaftsteuerlichen Erwerb festverzinsliche Wertpapiere, sind die bis zum Tod des Erblassers angefallenen, aber noch nicht fälligen Zinsansprüche (sog. Stückzinsen) mit ihrem Nennwert ohne Abzug der Kapitalertragsteuer anzusetzen.

2. Fließen die Zinsen dem Erben zu, kann die dafür bei ihm entstehende Einkommensteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer abgezogen werden. Das gilt auch für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2008, in denen nach der Aufhebung des § 35 EStG a.F. vor der Einführung des § 35b EStG die Doppelbelastung nicht durch eine Anrechnungsregelung bei der Einkommensteuer abgemildert wird.

3. Eine wegen der kumulativen Belastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer behauptete Übermaßbesteuerung (Art. 14 Abs. 1 GG) ist durch Rechtsbehelf gegen den Einkommensteuerbescheid geltend zu machen.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 5 Nr. 1, § 11 ErbStG, § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2, § 12 Abs. 1 S. 1 BewG, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, § 11 Abs. 1 S. 1, § 24 Nr. 2, § 35b, § 36 Abs. 2 Nr. 2, § 43 Abs. 1 EStG, § 45 Abs. 1 AO, § 1922 Abs. 1 BGB, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Alleinerbe seines 2001 verstorbenen Bruders. Im Nachlass befanden sich u.a. festverzinsliche Wertpapiere, auf die bis zum Tod des Erblassers Stückzinsen i.H.v. 190 354 DM entfielen. Die Zinsen wurden dem Kläger im Jahr 2002 unter Einbehalt der Kapitalertragsteuer von 30 % ausgezahlt und führten bei ihm insoweit zu einer Einkommensteuer von 49 798,30 EUR.

Das FA setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer i.H.v. 2 450 388,84 EUR fest, wobei es die auf die Zinsen entfallende Einkommensteuerschuld des Klägers nicht als Nachlassverbindlichkeit zum Abzug zuließ.

Einspruch und Klage blieben insoweit erfolglos. Das FG (FG München, Urteil vom 18.02.2009, 4 K 1131/07, Haufe-Index 2154365, EFG 2009, 946) bestätigte die Auffassung des FA, dass die Einkommensteuerschuld des Klägers keine Nachlassverbindlichkeit sei.

 

Entscheidung

Diese Einschätzung teilte nun auch der BFH, welcher die Revision des Klägers aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen als unbegründet zurückwies.

 

Hinweis

1. Zinsforderungen sind nach § 12 Abs. 1 S. 1 BewG mit ihrem Nennwert anzusetzen. Die für diese Zinsen einbehaltene und abgeführte KapErtrSt ist allerdings nicht als "besonderer Umstand" i.S.d. § 12 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 BewG zu berücksichtigen, denn dies würde nach der Rechtsprechung erfordern, dass eine "besondere Eigenschaft der Forderung selbst" vorläge, die ihr gleichsam immanent wäre. Das trifft auf die KapErtrSt (jedenfalls vor Einführung der Abgeltungsteuer) aber nicht zu, weil sie wirtschaftlich nur eine in einem besonderen Verfahren erhobene Einkommensteuervorauszahlung des Steuerpflichtigen darstellt.

2. Die Kernfrage des Falls ging deshalb dahin, ob die auf die Zinsen angefallene Einkommensteuer des Klägers als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden durfte. Dies verneint nun mit breiter Argumentation der BFH.

a) Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind vom Erwerb des Erben die vom Erblasser herrührenden persönlichen Schulden, die gem. § 1922 Abs. 1 BGB, § 45 Abs. 1 AO auf den Erben übergegangen sind, als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Dazu müssen die Schulden am Stichtag, dem Todestag des Erblassers (§ 11 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), rechtlich bestehen und den Erben wirtschaftlich belasten. Sind Zinsen aus Wertpapieren zum Todeszeitpunkt noch gar nicht zugeflossen, besteht am maßgebenden Stichtag keine Einkommensteuerschuld des Erblassers, was nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen daran liegt, dass der Einkommensteuertatbestand erst mit Zufluss der Zinsen in der Person des Erben verwirklicht wird (§ 11 Abs. 1 S. 1 EStG).

b) Die beim Erbfall latent auf der Zinsforderung ruhende Einkommensteuerlast des Erben ist auch nicht über die in § 10 Abs. 5 ErbStG geregelten Fälle hinaus als Nachlassverbindlichkeit abziehbar, was schon aus der Überlegung folgt, dass Erbschaft- und Einkommensteuer auf verschiedene Steuerobjekte zugreifen. Die künftige Einkommensteuer trifft den Erben insoweit nicht in seiner Eigenschaft als Bedachter einer unentgeltlichen Zuwendung, sondern als Einkommensbezieher und richtet sich demgemäß allein nach den für ihn geltenden Merkmalen.

3. Der BFH führt dazu rechtshistorisch breit aus, dass der Gesetzgeber die Doppelbelastung mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer schon seit 1925 bewusst in Kauf genommen hat. Auch das Verfassungsrecht fordert insofern keine Berücksichtigung der latenten Einkommensteuer des Erben: Zunächst gibt es schon keinen Verfassungsrechtssatz, wonach alle Steuern mit Blick auf die Belastung aufeinander abgestimmt werden müssten. Der Kläger konnte auch nicht geltend machen, seine "Gesamtbelastung" wäre niedriger ausgefallen, wenn der Erblasser die Zinsen noch zu Lebzeiten vereinnahmt hätte. Eine fiktive Einkommensteuer des Erblassers von der Bereicherung des Erben abzuziehen liefe nämlich – wie dies plastisch der BFH ausdrü...

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