Leitsatz

Verpflichtet sich eine Stadt als Verkäuferin eines Grundstücks, auf dem die vom Erwerber beabsichtigte Nutzung einen naturschutzrechtlichen Eingriff erfordert, die noch ausstehende Ausgleichsmaßnahme an anderer Stelle (§ 135a Abs. 2 BauGB) durchzuführen, und verpflichtet sich der Erwerber zur Zahlung der dadurch entstehenden Kosten, sind diese auch dann Teil der Gegenleistung sowie der Bemessungsgrundlage der GrESt, wenn die Ausgleichsmaßnahme an anderer Stelle dem erworbenen Grundstück i.S.v. § 9 Abs. 1a S. 2 BauGB zugeordnet worden ist.

 

Normenkette

§ 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, § 9 Abs. 1a S. 2, § 135a Abs. 2 BauGB

 

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb von einer Stadt ein Grundstück, wobei die Stadt den Flächennutzungsplan noch ändern und einen Bebauungsplan aufstellen musste. Außerdem waren aus Naturschutzgründen auf einem anderen Grundstück Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen, deren Kosten die Klägerin übernahm. Der Kaufvertrag wurde unter der aufschiebenden Bedingung des Wirksamwerdens des Bebauungsplans abgeschlossen und es trat diese Bedingung am 21.09.2002 ein.

Das FA sah in der Kostentragung für die Ausgleichsmaßnahmen eine sonstige Leistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und setzte auf dieser Grundlage die Steuer fest.

Das FG (FG Niedersachsen, Urteil vom 15.10.2007, 7 K 56/03, Haufe-Index 2017579, EFG 2008, 1814) folgte dagegen der Klägerin und behandelte die Zahlungen zur Ablösung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen als nicht zur Gegenleistung gehörig. Die Klägerin habe mit der Kostentragung eine eigene gesetzliche Verpflichtung erfüllt, die sie auch ohne Regelung im Kaufvertrag zu tragen gehabt hätte.

 

Entscheidung

Dem folgte der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen nicht, sondern hob auf die Revision des FA hin die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.

 

Hinweis

1. Der BFH hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem es um die Frage ging, ob vom Grundstückskäufer im Kaufvertrag übernommene Kosten für Ausgleichsmaßnahmen Teil der Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und damit der Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1 GrEStG) sind. Dies hat das Gericht für den Streitfall bejaht und sich dazu zunächst intensiv Gedanken dazu gemacht, auf welcher Rechtsgrundlage überhaupt ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Erstattung der Kosten fußen könnte. Anders als die Beteiligten dies gesehen hatten, stellte der BFH dazu aber nicht auf die landesrechtlichen Naturschutzvorschriften, sondern auf § 135a BauGB ab. Dies wiederum leitet der BFH aus § 21 BNatSchG ab, wonach das Landesrecht nicht anwendbar ist, wenn aufgrund der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind und deshalb über die Vermeidung, den Ausgleich und den Ersatz nach den Vorschriften des BauGB zu entscheiden ist.

2. Da im Streitfall die durch den zu erwartenden Eingriff erforderlich werdende Ausgleichsmaßnahme nicht auf dem erworbenen Grundstück, sondern an anderer Stelle erfolgen sollte, konnte ein Erstattungsanspruch nach § 135a Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 BauGB nur entstehen, wenn die Ausgleichsmaßnahme dem von der Klägerin erworbenen Grundstück nach § 9 Abs. 1a BauGB zugeordnet worden wäre. Ob dies der Fall war, konnte der BFH allerdings für den Streitfall offen lassen, weil dies nicht zu einem entscheidungserheblichen Unterschied geführt hätte:

a)Wenn eine solche Zuordnung unterbleibt, dann begibt sich die Stadt des Rechts, den Eigentümer nach § 135a BauGB zu den Kosten der Ausgleichsmaßnahme heranzuziehen; ihr bleibt dann nur die vertragliche Abwälzung der Kosten, was immer zu einer Einbeziehung als Kaufpreisteil in die Bemessungsgrundlage führt.

b)Erfolgt hingegen die Zuordnung, so rechnet die kaufvertragliche Übernahme der Ausgleichskosten jedenfalls dann zur Gegenleistung, wenn die Stadt sich – wie im Streitfall – verpflichtet, die noch erforderliche Ausgleichsmaßnahme durchzuführen und das Grundstück naturschutzrechtlich geordnet auf den Erwerber zu übertragen. Dann nämlich ist Erwerbsgegenstand das "Grundstück mit dem an anderer Stelle ausgeglichenen Eingriff". Zwar handelt es sich dabei nicht um einen in der Zukunft noch zu schaffenden tatsächlichen (d.h. körperlichen!) Zustand des zu übertragenden Grundstücks; die Ausgleichsmaßnahme an anderer Stelle wirkt aber auf die Nutzbarkeit dieses zu übertragenden Grundstücks in einer Weise zurück, die – wie dies der BFH ausdrückt – "einer tatsächlichen Veränderung des Grundstückszustands vergleichbar" ist. Letztlich ermöglicht nämlich die Ausgleichsmaßnahme erst (i.S.eines tatsächlichen Geschehens) den auf dem zu übertragenden Grundstück vorzunehmenden Eingriff in das Landschaftsbild oder den Naturhaushalt, womit für die vertragliche Übernahme der Kosten einer dem "Eingriffsgrundstück" zugeordneten Ausgleichsmaßnahme bei der Anwendung der §§ 8 und 9 GrEStG dieselben Grundsätze wie bei der Übernahme der Erschließungskosten gelten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.10.2009 – II R 18/08

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